Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
darauf überhaupt laufen?“
„Schon etliche Jahre“, gab Moni zurück.
„Wie viele genau?“, fragte Hetzer spitzbübisch.
„Hab ich vergessen“, sagte sie frech.
„Ist auch nicht wichtig!“
Das Gespräch verebbte über dem Bockshornkleekäse.
Hetzer musste immer wieder zu Moni hinschauen. Es war so etwas Verletzliches an ihr. Sie zwinkerte ihm freundlich zu, aber etwas war hinter dem Zwinkern, das sie verbarg. Er hatte sich schon immer in ihrer Gegenwart wohlgefühlt. Auch jetzt, wo sie so in seinem Bett unter der Decke zusammensaßen, war alles so natürlich und vertraut. Mit Fug und Recht konnte er behaupten, dass sie sein bester Freund war, sein Kumpel, dass ihre Freundschaft über jeden Zweifel erhaben war. Sie war etwas ganz Besonderes.
Jetzt sah er mit einem Mal, dass sie auch eine Frau war.
„Schmeckt dir der Wein?“, fragte sie in seine Gedanken.
„Ausgezeichnet!“, antwortete er. „Aber jetzt werde ich nie ganz genau wissen, ob deine warmen Füße sein oder mein Verdienst sind.“
„Wegen der Nachbarschaftshilfe?“
„Auch!“
„Weswegen noch?“
Er konnte nichts sagen. Sein Innerstes war durcheinandergeraten. Er fühlte. Mit einem Mal erkannte er den Blick in ihren Augen. Für einen kurzen Moment blitzte er durch. Vielleicht auch wegen des Weines…
Vielleicht fiel für einen Flügelschlag der Zeit ihre Maskerade. Es war Sehnsucht. Tiefe, innere und schmerzende Sehnsucht. Es war Maries Blick, es war seiner, es war ein Blick, der kein Gesicht brauchte und er machte ihm für einen kurzen Moment Angst.
„Sag nichts!“, bat sie. „Ich gehe jetzt, solange meine Füße noch warm sind.“
„Nein, bitte bleib“, sagte er, und sie fragte nicht, warum.
Im Ohrensessel
Peter Kruse rieb sich seinen steifen Nacken, als er irgendwann kurz nach Mitternacht wieder in seinem Ohrensessel aufwachte. Er fluchte, schleppte sich mühselig ins Bad und putzte die Zähne. Danach schimpfte er immer noch. Jetzt hatte er Hunger. So ein Mist. Aber er war zu faul, um sich noch etwas zu essen zu machen. Da fiel ihm die Tüte Chips wieder ein oder waren es Erdnusslocken, die er liebevoll „Würmer“ nannte. Das konnte nicht schaden. Es war besser, als mit leerem Magen einzuschlafen. Irgendwie war er jetzt auch zu wach. Er beschloss, die Würmer in eine Schüssel zu füllen und noch ein wenig fernzusehen.
Genüsslich nahm er wieder im Ohrensessel Platz und schaltete das Gerät an.
„Klasse“, dachte er bei sich und zappte durch mehrere Abenteuerfilme, bis er bei einer alten Folge Enterprise hängen blieb. Die Würmer schaffte er noch weit vor der Schlussmelodie und konnte sich auch dann nicht aus dem Sessel losreißen, weil er in wohliger Sattheit immer tiefer gerutscht und eingeschlafen war.
Farbe
Sie hatte nicht gefragt, wie die Farbkleckser auf sein Hemd gekommen waren, als sie abends noch eine Maschine mit weißer Wäsche befüllt hatte. Ihr wären die Flecken vielleicht auch gar nicht aufgefallen, wenn es nicht ganz oben drauf gelegen hätte.
Marion begutachtete die dunklen Stippen, die sich im Schulterbereich des weißen Hemdes befanden. Sie nahm es in die Hand und roch daran. Es roch nach Männerparfüm, aber sie war trotzdem nicht beruhigt.
Zögerlich nahm sie seine Unterhose aus dem Wä schekorb, doch auch da fanden sich keine verräterischen Spuren oder Gerüche.
Sie nahm sich vor, beim Essen ein belangloses Gespräch zu beginnen.
Halten
Es musste nichts gefragt oder gesagt werden. Moni stellte das Tablett aus dem Bett, weil Wolfs Augen nichts sehen konnten. Er hatte sich auf sein Kissen gelegt. Vorsichtig kroch Moni hinter ihn und nahm ihn in den Arm. Es war kaum zu bemerken, dass er leise weinte, aber Moni fühlte es.
Als er sich irgendwann erklären wollte, sagte sie nur „Sch…“ und er verstummte dankbar. Sie hielt ihn, bis sein Atem gleichmäßiger wurde und weit darüber hinaus. Das Halten war das Schönste.
Irgendwann in der Nacht nahm sie leise ihre Sachen und ging in ihr Haus zurück. Sie hatte Angst vor dem Morgen.
Sonntag
Der Sonntag begann allerorts friedlich, außer bei Peter Kruse, der sich seinen Nacken endgültig verlegen hatte. Er brauchte zwei Kopfschmerztabletten.
Heiner Wiebking hatte davon abgesehen, seiner Frau am Abend zuvor von Ankes Kurzbesuch in der Praxis zu erzählen, der bei ihm ein komisches Gefühl hinterlassen hatte.
Anke selbst hatte festgestellt, dass die Befriedigung einen schalen Nachgeschmack hinterlassen hatte. Es war nur ihre
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