Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
nach dir sehen.“ Er dachte an das Marcumar.
„Danke!“, sagte sie und strahlte ihn an. Ihm wurde mulmig bei diesem Blick. Er wechselte das Thema und vertiefte sich in die Aufnahmen.
„Ja, das muss wirklich operiert werden“, sagte er und nickte dabei. „Du wirst sehen, hinterher bist du wie neu!“
„Klar“, flüsterte sie, „wenn alles gut geht! Wenn nicht, bin ich ein Krüppel und lande im Rollstuhl.“
„Nun sieh mal nicht alles so schwarz!“
„Ich habe eine Scheiß-Angst, Heiner. Kannst du das nicht verstehen? Runderneuert hin oder her, wofür das alles?“
„Na, für dich!“, sagte er. „Du hast doch noch dein ganzes Leben vor dir!“
„Ach ja, und was ist das für ein Leben?“ Sie legte ihre Hand auf die seine. Da begriff er endgültig, was zu wissen er immer verdrängt hatte.
„Das muss jeder für sich selbst herausfinden. Ich habe mich für eins mit meiner Frau, unseren Kindern und der Praxis entschieden.“ Er sagte dies mit Nachdruck, zog seine Hand zurück und tätschelte vorsichtig ihre Schulter.
Wie bei einem Pferd, dachte sie und wäre gerne weggegangen, wenn ihr Nacken nicht gewesen wäre.
Tränen stiegen in ihre Augen.
„Sag mal“, fing Heiner an, der die heraufziehende Feuchtigkeit nicht bemerkt hatte, „gibt es irgendetwas, was du mir sagen solltest? Hast du irgendwas auf der Seele?“ Er wollte ihr eine letzte Chance geben, ihr Gewissen zu erleichtern.
„Das willst du nicht hören“, gab sie zurück und dachte an ihre Sehnsucht nach ihm.
„Dann ist da also etwas Wahres dran?“, fragte er.
„Ich kann es nicht glauben!“
„Für seine Gefühle kann man doch nichts“, erwiderte sie und begann zu weinen, weil er sie nicht in die Arme nahm.
„Ja, aber deswegen musstest du ihr doch kein Marcumar untermischen! Du weißt doch, wie gefährlich das ist.“ Er war fassungslos, dass Anke Marie augenscheinlich als Konkurrenz empfunden hatte.
„Was?“, schrie sie und das Kribbeln in ihren Armen nahm zu. „Das denkst du von mir? Geh bitte! Und ich dachte, du seist mein Freund.“
Er erhob sich. Ihre Worte glaubte er ihr nicht. „Du hast sie gehasst und wolltest sie loswerden. Sie war dir ein Dorn im Auge. Ich hätte Frau Schulze zuhören sollen, als sie zu mir kam, aber ich hätte es nie für möglich gehalten, dass…“
„Hau ab!“, schrie sie, blind vor Tränen. „Ich will dich nie wiedersehen. Alles habe ich immer nur für dich getan. Geh zurück zu deiner tollen Marion und fick sie alle schön, die Praxishäschen, aber keine wird dich jemals so lieben wie ich! Keine! Auch diese Marie nicht, falls sie noch lebt. Schönheit ist nicht alles…“
„So, du meinst, der Charakter zählt?“, fragte er kalt und zog seinen Mantel fester um sich. „Das stimmt!
Darum wärst du auch nie für mich als Partnerin infrage gekommen, vor allem jetzt nicht, wo ich dich richtig kennenlernen durfte. Ich möchte dich nie wiedersehen. Leb wohl, wenn du kannst!“ Mit diesen Worten nahm er seinen Laptop unter den Arm und knallte die Tür.
Er war hin- und hergerissen. Was sollte er tun? Es war nicht zu beweisen, aber er war sicher, dass sie Marie-Sophie das Marcumar gegeben hatte. Das war unverzeihlich, lebensgefährlich – eine Straftat in seinen Augen und Diebstahl war es auch. Sollte er sie anzeigen? Nein, sie war schon genug bestraft mit sich selbst, mit ihren Krankheiten, die vielleicht ein Spiegel ihrer Seele waren. Er würde morgen die fristlose Kündigung schreiben.
Auf der Fahrt nach Hause musste er tief durchatmen. Was für eine Schlange hatte er da an seinem Busen genährt? Ein böses Weib, das sich auch noch einbildete, er könne etwas für sie empfinden.
Sie war immer eine gute Mitarbeiterin gewesen. Das hatte er wenigstens gedacht, aber die Ermittlungen der Polizei und jetzt auch seine eigenen Erfahrungen zeigten eine ganz andere Frau.
Er schüttelte sich, als wolle er die letzte Stunde loswerden wie Regentropfen, die sich in seinen Haaren verfangen hatten.
Die Freundin
„Wie findest du eigentlich diese Freundin Anna?“, fragte Peter Kruse ganz nebenbei, als sie in Richtung Kleinenbremen fuhren.
„Och, ganz nett so weit, wieso?“
„Nur so, ich fand sie auch ganz in Ordnung. Das ist nur ein Eindruck aus der Befragung von neulich.
Irgendwie ein Lichtblick in diesem ganzen Gemobbe und Gezicke. Du kannst doch sagen, was du willst.
Oberflächlich mag in dieser Praxis ja alles wunderbar gewesen sein, aber in Wirklichkeit hat doch die Tatge alle
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