Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
sie. Loyal, arbeitsversessen und treu. Sie konnte nicht fassen, dass er sich in einem Moment von ihr losgesagt hatte, im Bruchteil einer Sekunde gemeinsame Jahre fortgeworfen hatte, als hätten sie ihm nie etwas bedeutet.
Aber vielleicht hatte sie ihm nie etwas bedeutet, grü belte sie? Vielleicht war alles Einbildung gewesen, jede Geste, jeder wissende Blick? Vielleicht hatte er das nur ausgenutzt, dass sie ihm so ergeben war?
Sie kam sich plötzlich benutzt vor. All die Überstunden, die sie unentgeltlich geleistet hatte, waren vergessen. Er hatte alles fortgeworfen. Wegen dieser blöden Schlampe Marie. Sie hoffte, dass sie wirklich tot war und in der Hölle schmorte. Da, wo sie hingehörte.
Doch was blieb ihr noch? Eine Wohnung, in der sie nicht gerne allein blieb, an die sie aber gefesselt war.
Einen Vater, der sie aus Pflichtgefühl besuchen kam.
Ein Auto, mit dem sie zurzeit nicht fahren konnte. Kollegen, die nicht mehr ihre waren. Freunde hatte sie schon lange keine mehr. Krankheiten, die ihr Angst machten, eine schlimmer als die andere. Wenn es bisher auch noch keine geschafft hatte, sie umzubringen – jetzt konnte sie sich nicht einmal mehr bewegen. Das war schlimmer als der Krebs in ihrem Unterleib.
Wofür und für wen lebte sie eigentlich? Für diese beschissene Wohnung? Damit jemand darin lebte? Da gab es andere. Für sich selbst? Sie konnte sich selbst nicht leiden und darum auch niemand anderen.
Leere machte sich in ihr breit, bis sie ganz davon erfüllt war. Schmerz und Einsamkeit. Sie hatte genug davon.
Vorsichtig richtete sie sich auf dem Sofa auf. Die ganze Halskrawatte hatte sie vollgeheult. Damit war jetzt Schluss! Sie würde es allen zeigen. Sie hatte ihr Leben im Griff und sie bestimmte darüber. Nur sie allein.
Aisha
Den köstlichen Schweinebraten hatte Peter Kruse noch auf der Zunge, als sein Telefon klingelte. Er verdrehte die Augen. Es war Hetzer. Bitte nicht, dachte er und überlegte, nicht abzunehmen. Sofort hatte er ein schlechtes Gewissen.
„Kruse hier, beim Abendmahl! Hast du die antifleischlichen Gelüste hinter dir gelassen?“
„Kannst du einmal ernst sein?“, fragte Hetzer flüsternd.
„Schwierig, was ist denn los?“ Wolfs Tonfall war merkwürdig.
„Nur ganz kurz. Hast du eine Idee, wo wir die Hündin von Frau Schulze unterbringen können? Ich will sie nicht ins Tierheim geben. Mit Lady Gaga versteht sie sich nicht.“
Peter stutzte. „Ist was mit Moni?“
„Sie kann sich eine Zeit lang nicht um sie kümmern“, antwortete Hetzer.
„Muss ich mir Sorgen machen? Sie würde den Hund nie weggeben, wenn es nicht etwas Ernstes wäre!“, sagte Peter.
„Das erzähle ich dir später. Denk mal bitte drüber nach und schick mir eine SMS, wenn dir was eingefallen ist. Vielleicht kannst du mir auch abnehmen, die Leute anzurufen?“, bat Wolf. „Ich muss jetzt Schluss machen.“
„In Ordnung!“, antwortete Peter und stand vom Tisch auf. Das hatte nichts Gutes zu bedeuten, fand er.
Im Geiste ging er alle möglichen Leute durch und blieb dann schließlich nicht ganz uneigennützig an Nadja und Anna hängen.
Nadjas Nummer wählte er zuerst. Sie brummte in den Hörer, als sie sich meldete.
„Wehe, wenn was passiert ist. Ich habe Feierabend!“
„Beruhig dich wieder, Nadja, du musst doch nicht immer das Schlimmste von uns denken. Nicht jeder Anruf erfordert deine medizinische Expertise.“
„Mann, kannst du schwere Worte am Abend!“ Sie lachte. „Ich kann dir noch keinen neuen Termin für unser geplantes Essen sagen, Peter, falls du deshalb anrufst. Tut mir leid. Meine Freundin ist noch hier. Beziehungsstress, weißt du? Sie wohnt erst mal bei mir.“
„Schade, aber ich hätte eine Ablenkung für deine Freundin. Wie wäre es, wenn sie sich die trüben Gedanken mit einem Hund vertreibt?“
„Hä? Wie meinst du das? Soll ich ihr vorschlagen, mit Beppo spazieren zu gehen?“
„Ach stimmt ja, da ist ja schon so ein haariges Vieh.
Ich wollte euch eigentlich einen anderen vorbeibringen.“
„Du hast doch gar keinen Hund“, sagte Nadja. „Was redest du da für einen Quatsch?“
„Wir brauchen einen Pflegeplatz für die Aisha von Frau Schulze. Bei Moni kann sie nicht bleiben und Wolf möchte nicht, dass sie ins Tierheim kommt.“
„Ach so, sag das doch gleich. Aber mir reicht ein Hund hier im Haus. Soll ich mich umhören?“
„Ja, mach das bitte! Wenn sich sonst schon etwas ergeben hat, ist es ja auch nicht schlimm.“
„Eben! Dann sag ich jetzt
Weitere Kostenlose Bücher