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Heuchler

Heuchler

Titel: Heuchler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Franley
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erstes Mal, und so, wie Paul vor Genuss geschrien hatte, war es auf jeden Fall eine gute Tat gewesen.
Einen Moment lang kam ihm in den Sinn, sich Pauls Film anzusehen, aber das hätte zu viel Zeit gekostet und er begnügte sich damit, die feinen blonden Haare auf seiner Gesichtshaut zu genießen. Dann streifte er sich den Skalp wie eine Perücke über seinen kleinen Kopf und murmelte die Beschwörungsformel: »In deinem Namen werde ich strafen, in deinem Namen werde ich befreien.« Unendliche Kraft strömte von Toms Haaren, in jede Zelle seines Körpers und seiner Seele. Nichts war je umsonst gewesen!
Für das zweite Haarteil, das einmal zu Ingo gehört hatte, benötigte er mehr Zeit. Lange hatte er daran gearbeitet, die dunkelblonden, drahtigen Haare der Form seines Gesichtes anzupassen und so einen falschen Bart daraus zu machen. Nun war nur noch etwas Gebisshaftcreme nötig und seine Verwandlung war abgeschlossen. Er hasste Spiegel, doch der Anblick bestätigte ihm, dass sich die Arbeit gelohnt hatte. Paul und Ingo waren bereit, weitere Jungs von ihrem Martyrium zu befreien.

– 15 –
     
     
    Felix hatte den alten Mann und dessen Warnung vor dem Wald zwar nicht vergessen, aber es war ja nicht wirklich weit bis zu dem kleinen Bach und außerdem konnte er über den Zufahrtsweg dorthin laufen. Wie immer lag er bereits um 7 Uhr hellwach in seinem Bett, und bis die anderen aufstanden, würde es noch mindestens eineinhalb Stunden dauern. Da die Wetterlage nicht mehr ganz so stabil war, gingen auch die Nachttemperaturen etwas zurück, sodass Felix froh über die dünne Jacke, die er übergezogen hatte, war. Seine Eltern wussten, dass er schon vor dem Frühstück ein wenig herumstromerte und er es liebte, um diese Zeit draußen zu sein. Es war, als würde auch die Natur langsam erwachen, und alles schien irgendwie friedlicher zu sein.
Felix benutzte die Terrassentür, da er diese auch wieder aufbekommen würde, wenn er früher zurückkommen sollte. Die feuchte, kühle Morgenluft verjagte den letzten Schlaf und zauberte geisterhafte Erscheinungen in die Luft, welche als Nebelschwaden über die nahe Wiese zogen. Morgens hatte er nie Angst, nur die Nacht verbreitete ihren Schrecken.
Heute wusste er genau, wo er hinwollte. Er umrundete das Haus und folgte dem Schotterweg, quer durch die große Wiese. Eine kleine Feldmaus, die das Maul voller kleiner Stängel hatte, sah ihn ängstlich aus ihren winzigen Knopfaugen an und verschwand dann in einer ihrer Höhlen. Wie von Geisterhand bogen sich immer wieder einzelne Halme in der Wiese und federten dann wieder zurück. Felix wollte gar nicht so genau wissen, was dort drin alles lebte, aber solange kein Elch vor ihm stand, war alles in Ordnung.
Ohne jeden Übergang endete die freie Fläche und der dunkle Wald begann. Außer mit dem Auto war er noch nie hier gewesen, aber er wusste, dass es bis zu dem kleinen Bach nicht weit sein konnte. Aufgrund der Dunkelheit, die hier immer noch herrschte, sah sich Felix nach einem Stock um, der lang und schwer genug war, um als Waffe zu dienen.
Nach ungefähr zwanzig Metern machte der Weg eine kleine Biegung, und genau hier musste es sein. Tatsächlich drang bald leises Plätschern aus den dicht stehenden Bäumen und lockte ihn damit in den Wald hinein. Wie ein Streifen aus glasklarem Eis durchzog das Wasser den Waldboden, fiel über kleine Stufen und floss dann weiter in Richtung See. Felix war begeistert! Er kramte sein letztes Geburtstagsgeschenk, eine echte Digitalkamera, aus dem kleinen Rucksack und begann damit, jede der faszinierend schönen Stellen zu fotografieren. Nachdem er den unteren Bereich eines kleinen Wasserfalles abgelichtet hatte, stieg er über einige ausgewaschene Wurzeln ein Stück höher. Kurz bevor das Wasser über die Felskante floss, musste es durch ein kleines Becken, doch irgendetwas stimmte hier nicht. Seifiger Schaum hatte sich an den Rändern abgesetzt und das ankommende Wasser trug noch mehr davon mit sich. Da man von ihrer Hütte aus den gesamten Berghang sehen konnte, wusste er, dass es dort oben nichts außer Wald gab. Daher fragte sich Felix, wo dieser Schaum wohl herkam. Vorsichtig tauchte er zwei Finger in die Brühe und verrieb das Zeug dazwischen. Es fühlte sich seifig an, und als er daran roch, erinnerte es ihn an den Rasierschaum seines Vaters. Nach einem Blick auf seine Armbanduhr beschloss er, der Sache ein wenig auf den Grund zu gehen und folgte dem Bach weiter den Hügel hinauf.
Dichter Bewuchs

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