Heurigenpassion
überführt werden.
Im krassen Gegensatz zur deutlich verbesserten physischen Konstitution des Häftlings stand aber seine psychische Verfassung. Die war saumäßig, unter dem Hund, ja selbst der Ausdruck »Katzenjammer« wäre noch eine vornehme Übertreibung gewesen. Nach dem abrupten Absetzen seines »Spezialdrinks« der letzten Tage, eines mit einem leichten Schlafmittel versetzen Mohntees, der ihn auf angenehme Weise ruhig gestellt hatte, zeigte er jetzt starke Entzugserscheinungen.
In Anbetracht der Latte an Grauslichkeiten, die Hans Schwarzenbach vorgeworfen wurde, hielt sich das Mitleid der Beamten mit dem weinerlichen Nervenbündel im Krankenbett aber in Grenzen.
Erstaunlicherweise galt seine größte Sorge nach wie vor seiner Mutter, deren völlige Unschuld er immer wieder betonte. Auf Grund seines Wissensstandes neigte Sandegger dazu, Frau Schwarzenbachs Beteiligung an den verschiedenen Straftaten ihrer Männer als bestenfalls marginal anzusehen. Wenn überhaupt, würde man ihr höchstens Wegschauen, Dummheit und Naivität vorwerfen können. Und das war ja kaum strafbar. Ehe er die Freilassung der Frau veranlassen würde, wollte sich Sandegger aber noch dieses Druckmittels bedienen, um Hans Schwarzenbach zu einem rückhaltlosen Geständnis zu veranlassen.
Vorhin hatte sich der Kriminalist noch mit Dr. Walzmeier, dem diensthabenden Oberarzt, unterhalten und gefragt, wie lange der Patient ohne Versorgung von außen noch gelebt hätte. Mit 2 Schachteln Keksen und einem halben Liter des speziellen Giftgemisches, das er statt Wasser trinken musste. Der Arzt hatte sich zunächst nicht klar ausdrücken wollen, etwas von »geschwächtem Allgemeinzustand«, »Suizid nicht auszuschließen« und »Verdursten« geschwafelt und sich schließlich mit 3–6 Tagen nicht wirklich festgelegt.
Mit »Wissen Sie, dass Ihr Vater mit einer Anklage wegen versuchten Mordes rechnen muss, falls er uns nicht bis spätestens nächsten Mittwoch über Ihr Schicksal informiert«, eröffnete Sandegger jetzt das Verhör.
»So«, der Junge zeigte wenig Erschütterung, »wen will er denn jetzt um die Ecke bringen ?« Begriffsstutzig war er auch.
»Na Sie, mein Bester«, half ihm Hellmer auf die Sprünge. »Oder glauben Sie, das vorsätzliche Verdursten lassen einer Person erfüllt diesen Tatbestand nicht ?«
Jetzt war die Botschaft angekommen und Hans Schwarzenbach begann zu reden. So schnell und umfassend, dass ihn Hellmer einige Male bitten musste, seine Aussage zu wiederholen.
Es hatte damit angefangen, dass er, Hans Schwarzenbach, die damals 18-jährige Elena auf einem Feuerwehrfest in Pyrha kennen gelernt und ein Verhältnis mit der heißblütigen Griechin begonnen hatte.
* * *
Palinski hatte schon immer dazu geneigt, Massenauftritte als beängstigend zu empfinden und sie daher auch zu meiden. Auftritte wie jener denkwürdige vor vier Monaten im Hotel »Palais am Kohlmarkt« und das darauf folgende exzessive Interesse der Öffentlichkeit an seiner Person waren ihm ein Gräuel und nur unter der Prämisse der unbedingten Notwendigkeit zu verkraften.
Heute stand er wieder im Zentrum des Interesses und erstaunlicherweise genoss er es diesmal. Und wie. Alleine die auf sein Referat folgende Diskussion hatte ihm mehr als zehn Einladungen zu Seminaren, Vorträgen, Fest- und Eröffnungsreden sowie das Angebot eingebracht, als Gastdozent an der Polizeihochschule Budapest Vorlesungen zu halten.
In der anschließenden Mittagspause hatte man ihn an den Tisch des Innenministers und seiner hochrangigen Gäste gebeten und um seine Meinung gefragt. Man stelle sich das einmal vor, der stellvertretende Chef von Scotland Yard hatte ihn, Palinski, um seine Meinung gefragt. Und gebeten, ihn gegebenenfalls konsultieren zu dürfen.
Nach dem Dessert waren dann zahlreiche mehr oder weniger hohe Tiere von den anderen Tischen vorbeigekommen und hatten sich vorgestellt. Am meisten hatte er sich aber über den anerkennenden Blick der Chefpsychologin der Guardia Civil, Isabel Cortez Ruiz gefreut, die ihm beim Vorbeigehen verschwörerisch zugewinkt hatte. Schade war nur, dass nicht auch sie ihn eingeladen hatte.
Dies hier war zweifellos ein Höhepunkt. Das erste Mal in seinem Leben war dort oben, wo er saß. Ein wunderbarer Tag, den nichts trüben konnte. Was immer heute auch noch passieren würde. Das war die vierte eklatante Fehleinschätzung, die Palinski innerhalb weniger Tage unterlaufen war.
Im Moment wusste er das aber noch nicht. Er
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