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Heurigenpassion

Heurigenpassion

Titel: Heurigenpassion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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tatsächlich 1500 Leute in Saal 1 Platz hatten, dann waren auch fast so viele da, dachte Palinski. Außer einigen wenigen freien Plätzen in den vorderen, von der Prominenz besetzten und den anderen, daher gemiedenen Reihen konnte er keinen einzigen nicht besetzen Platz ausmachen.
    In der ersten Reihe saß Dr. Fuscheé, der ihm ständig zuzwinkerte und den Daumen demonstrativ in die Höhe hielt. Um ihn herum sein Gefolge aus dem Ministerium und hohe, ja höchste Polizeibeamte. Wenn er sich jetzt blamierte, konnte er gleich auswandern, dachte Palinski. Vielleicht nach Paraguay, mit denen gab es ja angeblich kein Auslieferungsabkommen.
    Kurz vorher hatte er die nervöse Chefin der Simultandolmetscher und -dolmetscherinnen enttäuschen müssen, die ihn um ein Exemplar seiner Rede ersucht hatte. Damit sie und ihre MitstreiterInnen sich auf den Text vorbereiten und noch rasch möglicherweise knifflige Ausdrücke entschärfen konnten. Er hatte sie enttäuschen und ungläubig blickend zurücklassen müssen. Immerhin hatte er ihr aber versprochen, langsam zu sprechen, empfohlen, den Begriff »Krimiliteranalogie« als international bekannten Fachausdruck vorauszusetzen und ganz einfach nicht zu übersetzen.
    »So wie Kindergarten, Sie verstehen .« Er war sich aber gar nicht sicher gewesen, ob sie das auch tatsächlich hatte.
    Jetzt war es soweit. Polizeigeneral Schmidt-Ebenseder, formell Gastgeber des Kongresses, begrüßte die Anwesenden und kündigte den Vortragenden an.
    »Sehr geehrte Damen und Herren«, begann Palinski und dachte an den Mann, der aus dem obersten Stockwerk eines Wolkenkratzers fiel. Und bei jedem Stock, an dem er vorbei flog, zu sich sagte: »Bisher ist eigentlich alles gut gegangen .«
    Er stellte sich vor und verwies rhetorisch recht geschickt, wie er fand, auf den Artikel in den »International Criminal News«, dieser wichtigen Fachzeitschrift, die tatsächlich etwas anders hieß, wie ihm noch im selben Moment siedend heiß einfiel.
    »Meine Frau«, streute er etwas Privates ein, das machte sich immer gut und schaffte Vertrauen, hatte er einmal gelesen, »hat mir gestern eine interessante Frage gestellt. Warum ist die Verbrechensquote bei uns eigentlich so in die Höhe geschossen, seit du für die Polizei tätig bist ?«
    »Da hat die Frau recht«, murmelte der Minister in seinen Bart, »das habe ich mich auch schon gefragt .«
    »Ich konnte die Frage nicht beantworten, habe mich aber noch am selben Tag in meiner spezifischen Datenbank schlau gemacht .« Er nahm die Gelegenheit wahr, um auf die Besonderheiten der Datenbank »Crimes-facts and ideas« einzugehen und auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten hinzuweisen.
    Diese raffinierte Vermengung amüsanter Anekdoten und Sachinformation wurde mit einem ersten Applaus belohnt. Der deutlich heftiger als nur höflich ausfiel, wie Palinski beglückt registrierte.
    »Dieses, ich möchte es einmal Phänomen bezeichnen, ist in der Kriminologie bisher noch nicht beschrieben worden. Allerdings ist es in der Kriminalliteratur durchaus bekannt. Ein Detektiv, Kommissar oder Inspektor ist besonders tüchtig und innerhalb kurzer Zeit füllen seine Fälle mehrere Bände. Was zur Folge hat, dass die Verbrechensstatistik in seiner Stadt explodiert .« Vereinzeltes Gelächter im Auditorium deutete Palinski als Zustimmung.
    »Da es bei diesen Verbrechen naturgemäß nicht um Taschendiebstahl oder leichte Körperverletzung nach einer Wirtshausrauferei geht, handelt es sich dazu noch um eine besonders qualifizierte Explosion der Statistik. Der Superbulle zieht das Schwerverbrechen also an wie die Motten das Licht .«
    Jetzt lachte schon der halbe Saal und Palinski fand das gut so. Die Polizei hatte selten genug Grund zum Lachen.
    »Ein Krimiautor hat dieses Phänomen als erster beschrieben. Wir sprechen dabei vom so genannten Emme’schen Phänomen. Mich persönlich erinnerte es ein wenig an das Giffen’sche Paradoxon .«
    Jetzt war Palinski ganz keck geworden. Die Sache mit Giffen war ein Test. Er wettete mit sich selbst, dass keiner der Anwesenden ihn fragen würde, was es mit diesem Paradoxon auf sich hatte. Obwohl, wenn überhaupt, nur maximal ein Prozent im Saal etwas mit dem Begriff anfangen konnte. Aber alle waren viel zu eitel, um zuzugeben, dass sie keine Ahnung hatten.
    Oder sollte er sich irren. Hinten im Saal ging eine Hand hoch. »Ja, bitte«, forderte er die junge Dame auf, die sich gemeldet hatte.
    »Ich bin Isabel Cortez Ruiz von der Guardia Civil in

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