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Heute bin ich blond

Heute bin ich blond

Titel: Heute bin ich blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie van der Stap
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mir jetzt doch ein bisschen viel. Gestern und heute alles mit dem fotografen besprochen; nächste woche machen wir die ersten aufnahmen.
    Bei Backstage (perücken) hab ich wegen sponsoring des make-ups angefragt. Dann hab ich dem visagisten was anzubieten. Morgen such ich’s mir aus. Danach chemo.
    Muss dieses wochenende noch auf eine party, die letzte. Schade, dass der job dann vorbei ist, aber das ist mir doch zu anstrengend. Und es ist gut, wenn ich die zeit ganz für mein buch habe. Werde jetzt eine party für kommenden sonntag suchen. Mal schauen, was im odeon los ist. Ich will was schönes in der nähe, am liebsten ein teekränzchen.
    Dicker kuss
    Wann sehen wir uns wieder?
    X
     
    Date: Fri, 20 Jan 2006 11:43:44 +0100 (West-Europa (Standardzeit))
    From: »Chantal« ‹[email protected]› Add to Address Book Add Mobile Alert
    To: »Sophie van der Stap« ‹[email protected]
    Subject: Re: süße
     
    Mädchen, mädchen … einen stress hast du! So wie du’s schreibst, klingt es, als wärst du ganz schön kaputt. Ich hab’s di wieder gut überstanden, aber meine weißen blutkörperchen sind ziemlich unten, da muss ich aufpassen. Müde bin ich auch die letzten wochen, schlafe wieder über zwölf stunden jede nacht. Kommt wahrscheinlich von den blutkörperchen.
    Hat backstage das sponsoring zugesagt? Bin sehr gespannt.
    Komm vielleicht gleich noch kurz bei dir vorbei, dann ist diese mail überflüssig, wenn nicht, müssen wir unbedingt bald was ausmachen.
    XX Chan

[home]
    Freitag, 20. Januar 2006
    »So«, sagt Hanneke, als sie meine Aluminiumtitte zum beinahe letzten Mal ansticht. »Wer ist eigentlich Doktor K.?« Lächelnd plaudere ich meine große Liebe des vergangenen Jahres aus. »Doktor K**** natürlich.«
    »Ah, das hab ich mir schon gedacht. Sag mal: In
De Wereld Draait Door
hast du doch meine beiden Lieblingsmänner kennengelernt. Wie ist Cees Geel denn so? Ich find den so toll, und Matthijs auch, so ein netter, gutaussehender Mann.«
    Einen Moment lang tut mir meine Krankenschwester leid – jetzt wildere ich auch noch in ihrem Revier –, aber das sind die kleinen Glücksfälle, die man zum Unglück dazubekommt. »Kommst du zu meiner Buchpräsentation? Vielleicht kannst du da mit Cees Geel ein Glas Wein trinken.«
    »Gestern auf Station, da hast du dich gut mit David unterhalten, was?«, bohrt Hanneke weiter.
    Ja, ich muss sagen, ich habe mich wirklich gut mit dem Stationsarzt unterhalten. Voller Enthusiasmus hat er die Pumpe meines langen Freundes eingestellt, während ich mit herausgestreckter Brust dasaß, um den Durchfluss nicht zu behindern. Unter dem Vorwand »Wenn du mich demnächst auf der Mailbox hast, musst du sofort wiederkommen« hat er sich meine Nummer verschafft – keine allzu schwierige Übung übrigens –, außerdem hat er mir ein paar Joghurts aus dem Kühlraum geholt und der blonden Pam einige Tassen Tee serviert. Nein, meine Vormittage, Nachmittage und Abende im OLVG sind wirklich nicht so schlimm, wie es sich draußen alle vorstellen. Sollen sie mir ruhig Blumen und Kuchen schicken. Dann hab ich wieder was, womit ich bei Doktor K. anspaziert kommen kann, außer meinen durch Transpiration angepappten blonden Locken, die ich immer noch genauso lässig nach hinten werfe, wenn ich sein Zimmer betrete: »Ein Stück Kuchen gefällig?«

[home]
    Freitag, 27. Januar 2006
    Auf gleicher Ebene wie die Tiefgarage befindet sich die Leichenhalle, an der man auf dem Weg ins Erdgeschoss des Antoni-van-Leeuwenhoek-Krankenhauses vorbeimuss. Heute begleite ich Chantal zum ersten Mal.
    »Gruselig, was? Dass ich da auch bald liege.«
    Ja, gruselig. Mit diesem Gedanken betreten wir die Eingangshalle und gehen weiter in die radiologische Abteilung. Ich fühle mich schrecklich. Wie muss Chantal sich erst fühlen?
    Sie ist erstaunlich locker. Als hätte sie sich mit ihrem grausamen Todesurteil abgefunden. Solange dieses Urteil noch nicht über mich verhängt ist, bin ich jedes Mal wieder total angespannt. Und vielleicht ängstlicher als Chantal, die doch das letzte Wort schon zu hören bekommen hat.
    Aber wir stecken nicht den Kopf in den Sand. Bei aller Selbstverständlichkeit, die uns genommen wurde, ist uns zugleich die größte Sicherheit in den Schoß gefallen. Karel Glastra van Loon hat diese Wahrnehmung ein »zweites Leben« genannt. In seinem Kurzgeschichtenband
Ongeneeslijk optimistisch
 – Unheilbar optimistisch – habe ich gelesen, dass er sich als Krebspatient glücklicher,

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