Heute bin ich blond
So viele Gedanken blitzen in meinen Augen auf. In seinen Augen. So viele Unsicherheiten liegen hinter uns. So viele Gespräche mussten wir führen, um an diesen Punkt zu kommen.
Er spricht aus, was ich nicht laut zu sagen wage: »Du wirst mir fehlen.«
Plötzlich habe ich einen Kloß im Hals. Eine überwältigende Wärme für meinen Doktor Lieb.
Das Kamerateam ist schneller fertig als ich und lässt mich mit den Schwestern und den anderen Patienten allein zurück. Ich plaudere noch eine Weile mit meiner Nachbarin über Haarausfall und Haarwuchs, dann beenden wir das Gespräch und wünschen einander, uns nie mehr wiedersehen zu müssen. Das sind so ungefähr die freundlichsten und normalsten Worte, die in der Ambulanz gewechselt werden können.
Beim Abkoppeln fühle ich mich bestens. Draußen nehme ich die Straßenbahn Linie sieben, statt in den Fahrdienst-Mercedes zu steigen. Unterwegs kaufe ich noch Kekse und ein paar Bücher. Ich möchte Kluun lesen; Chantal hat mir versichert, sein Buch sei mehr schön als dramatisch. Auf dem Umschlag sind zwei Schuhe, warum, weiß ich noch nicht. Inzwischen ist es fast fünf, auf dem Noordermarkt wird es voll, und ich laufe fröhlich mit. Mit Kluun unterm Arm gehe ich ins Finch. Mein letzter Kater ist ausgetrunken.
Bis Ultimo in der Kneipe sitzen, rauchen, von der Nachbarin frühmorgens zum Pilates aus dem Bett geklingelt werden, über Männer reden. Ich mache wieder alles mit.
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Montag, 13. Februar 2006
Die vierundfünfzigste Woche ist vorbei, ein letzter Händedruck mit Doktor L. ist getauscht, der Buchvertrag ist unterschrieben: Jetzt ist es offiziell.
Ich bin Schriftstellerin. Und eine Schriftstellerin liest gern, redet gern über Bücher und weiß, was sonst noch so an Schriftstellern herumläuft.
Ich passe immer besser in dieses Bild. Das erlebe ich zusammen mit meinem Laptop. Ich stehe auf und tippe etwas. Ich frühstücke und denke mir etwas aus. Ich gehe ins Bett und schreibe noch etwas. Denn auch dort fließen die Worte weiter. Ich schreibe die ganze Zeit.
Die Wende, die mein Leben genommen hat, gleicht immer mehr dem Szenario, das Harry Mulisch in
Die Entdeckung des Himmels
entwirft. Es ist, als wäre alles genau geplant, so selbstverständlich steige ich von einem Boot ins andere.
Und es geht immer weiter. Kaffee mit Cees Geel, Essen mit Eddy Terstall, Schreiben für
NL 20
, Casting bei Hans Kemna, auf Pressereise für
Cosmopolitan
.
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Donnerstag, 16. Februar 2006
Es schneit, die Schneeflocken wirbeln zu Tausenden an meinen großen Fenstern vorüber. In einem schwarzen Wolford-Kleid und einer hauchdünnen Strumpfhose, die schon nach dem ersten Tragen mehr Loch als schwarz ist, steige ich in ein fremdes Auto. Discoglitzer und Partyperücken. Meine langen blonden Haare fallen kaum auf; um in Partystimmung zu kommen, haben noch mehr Leute zu einer synthetischen Mähne gegriffen. Ich bin total begeistert von den vielen gewagten Kreationen um mich herum und tausche mit mehreren Köpfen die Perücken. Rosa Locken, weiße Wellen, schwarzer Afro. Krawatte, mit dem ich verabredet bin, hat sich für den Anlass in einen gestreiften Samtanzug geworfen.
Auf dem Podium, zwischen den schwitzenden Leibern, stellt er sich dicht neben mich. Mein Körper ist von einem dünnen, elastischen, straff um meine Rundungen gespannten Stoff umhüllt. Bebés Haare tanzen wild nach allen Seiten, und meine Lippen bewegen sich mit der Musik mit. Krawattes Hand gleitet langsam meinen Rücken hinab, dreht aber dann schnell ab. Das wiederholt sich ein paarmal, bis ich den Blick hebe und ihm gerade in die großen blauen Augen schaue. Es ist Nacht, die Stunden, in denen der Augenblick gelebt wird, und wir leben ihn. Jetzt. In diesen dunklen, verborgenen Minuten. Sein Griff spannt sich, seine Hand liegt tief auf meiner Taille und wandert spielerisch zu meinem Nabel. Eine einzige Berührung und überall Gänsehaut. Noch eine solche Berührung und unwiderstehliches Verlangen. Wir sehen uns an und wollen nur noch eins. Seine feuchte Hand gleitet voller Verheißung in meine, und wir verschwinden. Weg vom Podium, von den schwitzenden Leibern, Richtung Auto. Als Bebé bin ich in den Abend gegangen, als Cicciolina – eine weißblonde Perücke, die mehr Sex als Stil ausstrahlt; ich habe sie als Souvenir bekommen – gehe ich in die Nacht.
»Kommst du noch mit rauf?« Es ist ein Uhr.
»Du setzt jetzt bestimmt keinen Tee mehr für mich auf«, antworte ich, hingerissen von der
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