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Heute bin ich blond

Heute bin ich blond

Titel: Heute bin ich blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie van der Stap
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zu sagen. Wir kennen beide den Wunsch, unbefangen und unbelastet mit einem Jungen nach Hause zu gehen, wenn man noch am selben Tag an der Infusion oder drei Tage kotzend im Bett gelegen hat.
    »Krebsleider« nennt Chantal uns, und sie kann das sagen, weil sie noch wie jeder andere auf irgendeiner Party landet und am nächsten Morgen mit einem Kater aufwacht. »Die Kater sind jetzt schlimmer«, sagt sie.
    Ich dagegen lebe mein Leben mit dem Krebs viel bewusster. Häufige Kater gehören nicht dazu. Schon eher Meditation, visuelle Therapie und was sonst noch helfen kann. Eigentlich mehr aus einem Gefühl des Müssens heraus als des Wollens. Hätte man die Wahl, würde man sich für meine Prognose entscheiden und nicht für ihre. Und deshalb will sich Chantal keine Party entgehen lassen.
    »Ruhe sanft«, sagt sie, als sie weggeht, um für heute Abend einzukaufen.
    »Komm gut rüber«, rufe ich ihr nach.
    Plötzlich beschleicht mich ein ganz egozentrischer Gedanke. Chantal vermittelt mir das gleiche Gefühl der Sicherheit wie Oscar und Marco, wenn ich an meine Vorstellung vom Tod denke, die über Schwarz mit etwas Energie da und dort kaum hinausgeht. Es wäre schon seltsam, wenn ich vor ihr sterben würde, so gesund und energiegeladen sie auch wirken mag. Ein schönes Gefühl, dort drüben eine Freundin in Schwarz zu haben. Eine Freundin, die auf mich wartet und bei mir bleibt, solange es auch dauern und so einsam es auch sein mag.
    Scheiße, wie einsam muss sie sein.

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    Sonntag, 1. Januar 2006
    Das neue Jahr hat begonnen. Krampfhaft suche ich bei mir selbst und den Menschen um mich herum nach Veränderungen. Mir ist es nicht so wichtig, aber in meiner Umgebung gibt es scharenweise Leute, die 2005 für FLOP erklären und 2006 für TOP . Und das mit so einem durchdringenden Blick.
    Ich wage es nicht auszurufen. Was für ein FLOP -Tag.
    Obendrein ist alles noch wie ausgestorben. Und mein Joghurt ist alle.
    Was hat sich verändert? Meine Prognose natürlich, die ist mehr als TOP . Meine Schwester, die sitzt mit ihrem Expat in Hongkong: FLOP . Chantal in meinem Leben, das ist TOP . Aber ihre Prognose: FLOP . Die Aussicht auf mein Buch, von dem Horoskop in der
Elle
mal abgesehen: TOP . Jur? Immer noch FLOP .
    Date: Mon, 2 Jan 2006 23:16
    From: Chantal
    To: Sophie
    Subject: Re: gänsehaut xx
     
    Was für ein talent … Und wie gut du mir zugehört hast … Komisch, dass da von mir die rede ist … Und so witzig formuliert …
    Bin stolz auf dich! … Meine neue freundin ist schriftstellerin …
    XX und gute nacht schon mal!
    www.kluun.nl

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    Donnerstag, 5. Januar 2006
    Doktor N. hängt meine letzten CT -Aufnahmen auf und betrachtet sie hocherfreut. Ich glaube sogar ein bisschen Stolz in seinem Blick zu bemerken. Meine Lunge ist frei. Er habe die gute Nachricht ja schon bei Matthijs im Fernsehen vernommen, sagt er lachend. Der Informationsfluss zwischen Amsterdam und Rotterdam scheint immer wieder mal zu stocken. Das OLVG ist immer noch nicht auf Digital umgestellt.
    Mit viel Geduld hört Doktor N. meine Lunge ab. Der Mann bringt wirklich Begeisterung auf für seine Arbeit. Und für meine Lunge. Ich seufze und puste, und er kommt zu dem Schluss, dass sie sich gut erholt hat.
    »Das ist ja phantastisch!!!«, sagt er in seinem Professor-Bienlein-Ton. Auch zu meiner Prognose wagt er sich – im Gegensatz zu Doktor L. – positiv zu äußern: Er ist zuversichtlich, dass meine Tumorfamilie tatsächlich ganz weg ist. Auch Tick und auch Trick. Und sogar Track. Tot. Ganz sicher ist das natürlich nie. Für mich aber schon.
    Jetzt muss ich abbauen. Von 10 mg auf 5 mg Prednison. Aber Muskeln und Kondition muss ich aufbauen, und deshalb war ich auch gleich beim Physiotherapeuten. Inzwischen habe ich drei Behandlungen bei ihm hinter mir und nur noch zwei Chemos vor mir. Zum Schluss noch eine CT , dann werde ich bis zum Sommer freigelassen. Das bedeutet ein halbes Jahr ohne Doktor K. und bald auch ohne Doktor L. und meine Krankenschwestern. Man gewöhnt sich an alles. Auch an die Chemo. Das habe ich beim Verlassen der Station gemerkt. Plötzlich stelle ich es mir ganz nett vor, noch ein paar Jahre hier behandelt zu werden. Dann bräuchte ich keine Angst vor einem Wildwuchs komischer Tumoren zu haben, die nicht in meinen Körper gehören.

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    Donnerstag, 12. Januar 2006
    Auf dem Weg zu Doktor K. vergesse ich in meiner Begeisterung, die Kopien von meiner letzten CT mitzunehmen.
    Mein Herz klopft. Es wärmt meinen

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