Heute morgen und fuer immer - Roman
war, die Brauerei seiner Eltern aus der Misere zu ziehen, er das ihnen aber schuldete, fand ich ihn zum ersten Mal so richtig sympathisch.
»Sie fühlen sich so schuldig und leiden unter der Situation, aber ich habe schon einige Ideen, wie sie expandieren können, und für Nele ist es ein Segen, dass wir jetzt hier sind. Ich hatte erst überlegt, auch nach Berlin zu gehen, damit sie Jutta sehen kann, aber dann kam die drohende Insolvenz, und Jutta machte deutlich, dass sie Nele nicht wirklich bei sich aufnehmen wollte. Später wieder gerne, aber im Moment brauche sie die Zeit ganz für sich!«
Wir lehnten am warmen Kachelofen. Valentin hatte seine Jacke ausgezogen und saß nur noch im T-Shirt da. Ich versuchte, nicht ständig auf seinen wirklich schönen Oberkörper zu schauen, als mein Blick an einer langen Narbe am linken Arm hängen blieb. Da wir uns so warm geredet hatten, zeigte ich darauf.
»Wie ist das passiert?«
Hastig zog er seine Jacke wieder an und bekam mit einem Mal wieder seinen distanzierten Blick.
»Spreche ich nicht gern drüber!«
Es entstand eine Pause, die ich nicht anders zu überbrücken wusste, als zum Aufbruch zu drängen.
»Ja, dann wollen wir weiter?«
Valentin nickte.
»Wann kommt Jasper wieder?«, fragte er und senkte für einen Moment seinen Blick.
»Am Sonntag!«
»Vermisst du ihn sehr?«, wollte Valentin wissen und sah mich dabei forschend an. Was war das für eine Frage, bitte, die ging ihn eigentlich nichts an, keine Ahnung, was für eine Antwort er erwartete?
»Ja, und wie! Mit ihm ist alles bunter. Aber du kennst ihn ja, weißt, wie er ist!«
Valentin schmunzelte. »Ja, ein liebenswerter Kindskopf. Das war er schon immer, aber durch dich scheint er erwachsener zu werden!«
Ich war mir nicht sicher, ob das ein Kompliment war oder nicht. Überhaupt war mir das Verhältnis zwischen Jasper und Valentin ein Rätsel. So verschieden sie waren, so sehr hingen sie aneinander. Jasper nahm Valentin immer in Schutz, es war fast, als hätte Valentin einen Freifahrtschein. Einerseits fand ich das auch richtig, Helene und ich waren auch sehr eng, aber kritiklos standen wir uns nicht gegenüber, auch wenn Blut dicker als Wasser war. Auf alle Fälle war das ein guter Tag gewesen, und ich war froh, mit Valentin endlich ein entspannteres Verhältnis zu haben, das machte vieles leichter, zumal Jasper Valentins Meinung unendlich wichtig war und es ihm etwas ausmachte, dass wir uns nicht gut verstanden, auch wenn er es bislang überspielt und als nicht relevant abgetan hatte. Sobald Jasper anrief, würde ich ihm die frohe Botschaft erzählen. Als ich die Skier aufs Autodach packte, schmerzte plötzlich wieder meine linke Hand, und der Daumen fühlte sich taub an.
Nicht schon wieder eine Sehnenscheidenentzündung, fuhr es mir durch den Kopf. Ich würde vorsichtshalber zu Hause meine Bandage anziehen. Die Verabschiedung fiel herzlich aus, Helene drückte Nele kräftig und Valentin noch kräftiger und vor allem länger als nötig. Max und Valentin gaben sich einen männertypischen Schulter-Hand-Klopfer, und Valentin und ich drückten uns nur kurz. Wir wollten die eben gewonnene Sympathie ja nicht überstrapazieren.
Kapitel 5
Der Bruch
»Du kannst das Tuch jetzt absetzen!«, rief Jasper fröhlich. Ich nahm die Augenbinde ab und lachte. Jasper hatte ein original English Breakfast aufgebaut und sich selbst als Dandy verkleidet. Für mich lagen ein Hut auf dem Stuhl und weiße Handschuhe, damit auch ich ladylike das Frühstück genießen konnte. Im Hintergrund liefen Twist und englische Schlager aus den Zwanzigern, in der Kanne dampfte English Breakfast Tea, auf dem Tisch befanden sich Orangenmarmelade, Scones, Baked beans, Toast und alles, was das Herz begehrte. Auf meinem Platz lag ein Geschenk.
»Mach es auf!«, drängte Jasper ungeduldig. Aus dem Päckchen schälte ich eine Schmuckschatulle, in der wunderschöne alte Chandelierohrringe aus Silber lagen, mit milchig glänzenden Mondsteinen verziert. Sie waren atemberaubend schön und passten perfekt zu meinen langen Locken. Ich legte sie an und fühlte mich wie eine englische Prinzessin.
»Die habe ich in Covent Garden bei einem Juwelier gefunden. Sie stammen aus der viktorianischen Zeit und haben bestimmt mal einer echten Prinzessin gehört!«
Genau dafür liebte ich Jasper, also nicht dafür, dass er mir Geschenke mitbrachte. Nein, er war originell, nie langweilig, außerdem machte er sich immer Gedanken und war ein guter Beobachter,
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