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Heute morgen und fuer immer - Roman

Heute morgen und fuer immer - Roman

Titel: Heute morgen und fuer immer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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studieren und kellnerte in meiner Stammkneipe.« Valentin blieb zu meiner Überraschung bei seinem freundschaftlichen Ton und nahm mir meine Neugierde überhaupt nicht übel. »Du musst wissen, dass ihre Mutter eine dominante Giftschleuder ist, die ihr in den Kopf gesetzt hat, dass sie sich ihr gutes Aussehen zunutze machen muss. Ihre Mutter fand auch, dass Jutta nicht studieren müsse, denn sie war in ihren Augen die Hübsche, Dumme, Juttas Schwester hingegen die Intelligente, Hässliche. In dem Glauben hat sie ihre Töchter großgezogen. Als ich Jutta kennenlernte, nabelte sie sich gerade von ihrer Mutter ab, stellte den Kontakt ein und wollte wie gesagt raus aus der ›Ich bin schön, ich muss berühmt oder ein Trophy Wife werden‹-Nummer und Psychologie studieren.«
    Valentin rührte den nicht mehr vorhandenen Zucker in seinem Espresso um. Nur zu gut konnte ich mir vorstellen, was eine Mutter anrichtet, die ihrer Tochter von klein auf sagte, dass sie sich auf ihr Aussehen und ihre Wirkung auf Männer verlassen soll. Mütter waren so wichtig für die Entwicklung und das Bild, das man später von sich als Frau hatte. Auch wenn ich meine Mutter nicht so lange bei mir gehabt hatte, so hatte sie mir immer gesagt, dass ich so, wie ich bin, schön sei und alles schaffen könne. Und sie sagte das voller Zutrauen in mich, meine Wünsche und Begabungen. Wenn ich zum Beispiel unsicher war und meinte: »Das kann ich nicht!«, machte sie nie den Fehler, mir ebenfalls abzuraten oder es mir abzunehmen, sondern sagte dann: »Das macht nichts, aber du kannst das lernen!« Und auch wenn sie kein Abi oder Hochschulstudium vorzuweisen hatte, war ihre Herzensbildung so klug und wertvoll, was mir mit den Jahren immer klarer wurde. Sie hatte mir in den elf Jahren unseres Zusammenlebens alles an Liebe, Werten und Rüstzeug mitgegeben, was ich für später brauchte, und auch wenn sie mir schrecklich fehlte, wusste ich genau, was sie gesagt oder wie sie gehandelt hätte.
    Valentin, der anscheinend den Tag der offenen Türe für sein Innenleben ausgerufen hatte, erzählte munter weiter.
    »Während meines Studiums kam Nele ungeplant, und Jutta hörte auf zu kellnern. Dann zogen wir nach Hamburg, und plötzlich war ihre Mutter wieder in der Nähe und nahm immer mehr Einfluss auf sie. Erst unter dem Vorwand, mit Nele zu helfen, baute sie ganz langsam eine Abhängigkeit auf, praktischer und emotionaler Art. Jutta kam in einen neuen Freundeskreis, in dem alle die Suche nach dem Sinn im Leben propagierten. Da machte sie 'ne Rückreise in ihr früheres Leben oder so 'nen Schmarrn und fand unter Hypnose raus, dass sie doch eigentlich Schauspielerin sein sollte. Zu Schulzeiten träumte sie diesen Traum schon mal. Sie sah sich bestätigt, und dann wurde es einfach nur noch schlimm, mit dieser Ego- und Verwirklichungsschiene. Bestens von ihrer Mutter unterstützt, die für ihre Tochter Großes vorgesehen hatte, zumindest einen Adligen, Minister oder so was in der Art. Natürlich versuchte ich, etwas dagegenzusetzen, aber keine Chance. Ich musste arbeiten und mich um Nele kümmern, weil ich jetzt auch mal mit Vaterpflichten dran sei, was bei 'nem Zwölfstundenjob wirklich nicht lustig ist. Dass von der Kohle auch die Schauspielstunden bezahlt wurden, war selbstverständlich. Und dann folgte final der Abgang nach Berlin! - Und was kannst du berichten?«
    Puh! Der legte ja plötzlich ein Tempo an den Tag. Valentin hatte komplett die Rollläden hochgezogen und sein Beziehungsleben ohne Scheu im Schnelldurchgang vor mir ausgebreitet, beinahe so, als ob er nur darauf gewartet hätte, dass wir hier auf der Hütte mal ganz unter uns waren, um uns über unser bisheriges Leben auszutauschen. Apropos austauschen ... Ja, was konnte ich berichten? Nichts Spektakuläres, Fernbeziehungen, die fast immer an meinem Beruf gescheitert waren. Ein paar Beziehungsversuche, eine lockere Affäre, Valentin verstand, dass man als Musikerin Opfer bringen musste, überhaupt war er so was von verständig heute ... Im Prinzip machte ich nichts anderes als Jutta, ich war meiner Berufung gefolgt. Der einzige Unterschied war, ohne Kind und Familie und mit Talent. Ich war mir sicher, dass Valentin mir unter anderem deshalb misstrauisch gegenüber war, weil auch ich eine Frau war, die auf der Bühne stand, bloß machte ich es nicht, um berühmt zu sein oder mein Selbstwertgefühl aufzupolieren, was bei Jutta wohl der Fall zu sein schien. Als er dann noch erzählte, wie schwer es

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