Heute morgen und fuer immer - Roman
Nele und ich rieben uns die Augen, geblendet vom Licht an der Wagendecke. Wir mussten einen lustigen Anblick abgeben, zumindest lachten Jasper und Valentin, wie Nele und ich sie ineinandergewurstelt und verschlafen ansahen.
Nele und ich sortierten unsere Arme und Beine. »Wir haben ganz viele Fotos gemacht und waren in der Reitschule. Clara hat mir versprochen, das nächste Mal mit ins Tierheim zu kommen, dann kann ich ihr Eddie zeigen!«, plapperte Nele zufrieden, während sie ausstieg.
»So, so, hat sie das versprochen ...« Valentin lächelte und sah mich einen Moment lang mit einem so warmen Ausdruck in den Augen an, dass ich mich fast verwundert umgedreht hätte, um zu schauen, ob noch jemand im Auto saß außer mir. Wahrscheinlich war er froh, dass Nele eine »Tante« hatte, die in Juttas Alter war, mit der sie sich gut verstand.
Als Nele mich zum Abschied fest umarmte und sich bedankte, war es um mich geschehen, ich war der kleinen Nele erlegen. Valentin nahm für einen kurzen Moment meine Hand, was mich völlig überraschte und auch aus dem Konzept brachte.
»Einen schönen Abend noch, und danke, du Brauhexe!«
Wenn mich nicht alles täuschte, hatte er Brauhexe beinahe zärtlich gesagt! Mist, und wieder war Jasper nicht da, um zu sehen, dass Valentin und ich uns inzwischen wirklich besser verstanden. Er war bereits ins Haus vorgegangen ...
Kapitel 7
Die Mondscheinsonate
Seit sechs Stunden übte ich nun schon. Erst Fingerübungen zum Aufwärmen, dann die Stücke einmal komplett durchgespielt, erst mit Noten, dann ohne, um mir dann schwierige Stellen vorzunehmen und am Ausdruck zu feilen, schließlich hob ich mich laut Musikwelt von anderen Pianisten ab, weil ich den Stücken stets eine eigene Interpretation gab. Das barg zwar Risiken, und nicht immer war ich zufrieden, aber meistens schaffte ich es, einem Stück ein neues Gefühl zu geben oder etwas herauszuholen, was man so, wenn man den Kritikern glauben durfte, noch nicht gehört hatte. Ich benutzte die Technik, um meine Gefühle damit besser aufzeigen zu können, und drückte mich nicht um trockene Übungen, weil ich wusste, wie wichtig das Handwerk war. Die Tür ging auf, und Evi kam mit einem Tablett Tee und Weihnachtsgebäck herein.
»Ich kenn dich, du klebst bestimmt seit Stunden am Klavier fest und hast noch nichts gegessen vor lauter Konzentration!« Meine Evi, sie kannte mich einfach zu gut, kein Wunder, schließlich waren wir seit unserer Pubertät beste Freundinnen, auch wenn wir beide viel auf Konzertreisen und mit verschiedenen Engagements unterwegs gewesen waren und uns nicht so oft sehen konnten, wie wir wollten. Zum Glück gab es heutzutage Facebook, Skype und billige Flüge.
»Tausend Dank, ich war noch nicht mal auf'm Klo!«
Evi grinste.
»Solange du nicht 'ne Weltraumwindel wie diese Astronautin trägst, die sechzehn Stunden im Auto saß auf dem Weg zur Nebenbuhlerin und die Weltraumwindel angelegt hatte, um keine Zwischenstopps machen zu müssen, ist alles im grünen Bereich!« Ich prustete los. Also, wenn etwas zu den peinlichsten Momenten gehörte, die an die Weltöffentlichkeit gelangt waren, dann die Aktion von Lisa Nowak, die von der Polizei wegen versuchten Mordes gestellt wurde, als sie mit erhobenen Händen aus dem Auto stieg und dabei diese Weltraumwindel trug. Die Windel würde sie nie wieder loswerden. Ich war überzeugt, dass die Menschen eher den versuchten Mord als die Weltraumwindel vergessen würden. Sobald sie im Supermarkt auch nur in die Nähe von Hygieneartikeln kam, kicherten bestimmt alle los. Evi setzte sich zu mir auf den Hocker, während ich hungrig die Plätzchen aß. Sie als erste Geigerin des Orchesters und ich als Pianistin spielten das Weihnachtskonzert im Gasteig gemeinsam und konnten daher viel Zeit miteinander verbringen. Das Weihnachtskonzert in der Philharmonie des Gasteigs war eine besondere Ehre, die nicht jedem zuteil wurde. Dass ich ausgerechnet dieses Jahr spielen durfte, war nicht nur eine persönliche Ehre, sondern auch sehr hilfreich, was meine Bewerbung am Konservatorium anging. Wie mir zu Ohren gekommen war, hatte Amelie gekotzt, als sie nicht gefragt wurde.
»Was machst du an Weihnachten?«, fragte Evi und wusste, dass es ein sensibles Thema war, denn Weihnachten fehlten mir meine Eltern immer besonders. Diese Zeit, in der alles still stand, innehielt und sich besann, war für mich oft eine Phase, in der ich melancholisch wurde, was mit daran lag, dass meine Eltern Weihnachten
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