Heute morgen und fuer immer - Roman
oder?«
Typisch Mittelalter, dachte ich.
»Bierhexe? Das passt!«, hörte ich eine tiefe Stimme. Valentin musste Georgs kleinen Vortrag mitangehört haben und amüsierte sich köstlich. Ohne es beeinflussen zu können, schlug mein Herz schneller. Zum ersten Mal seit unserem Bergtreffen im Schnee sah ich Valentin wieder und war gespannt, wie er sich verhalten würde. Hoffentlich blieb er weiterhin freundlich, das würde so vieles erleichtern.
»Sag das mit der Bierhexe lieber nicht so laut, Papa, sonst landet Clara am Ende noch im Sudkessel, du weißt doch, wie abergläubisch einige unserer Arbeiter sind!«, spottete Valentin und sah mich dabei herausfordernd an.
Es lag keine Feindseligkeit in seinen Worten. Aber nett war seine Bemerkung auch nicht. Neu war, dass sich ab und zu ein Lächeln zwischen seine Frotzelei schob, das warm wirkte und nicht abweisend. Einerseits erleichtert, dass wir nicht wieder bei null anfingen, andererseits verwundert, dass wir bei der Nähe und Offenheit vom letzten Mal doch wieder in das bekannte Angriffsmuster verfielen, ging ich auf Valentins Bemerkung ein.
»Ja, ja, aber wenn ich im Kessel lande, wird sich jeder fragen, wer die Hexe erkannt hat. Das ist dann wohl der alte Hexenmeister, der in genauso großen Schwierigkeiten steckt ...!«, antwortete ich parierend, aber ohne Schärfe oder den Versuch, witziger oder bissiger zu sein.
Georg gefiel die Idee und zitierte sofort Goethes Zauberlehrling.
»Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben ...!« Wir setzten unseren Rundgang fort zur Brauerei, wo schöne kupferne Sudkessel standen und allerlei Gerätschaften, die ich nicht kannte und deren Erklärung ich leider nur am Rande aufnahm, denn viel interessanter fand ich zu beobachten, wie Valentin sich als Chef machte. An der Art, wie die Mitarbeiter ihn grüßten oder zu ihm kamen, mit Unterlagen oder Fragen, merkte ich, dass er respektiert und gemocht wurde. Er biederte sich nicht an und verstellte sich nicht, hörte jedem aufmerksam zu, nahm sich Zeit und half Lösungen zu finden, die gut zu sein schienen, denn an den Gesichtern der Mitarbeiter konnte man erkennen, dass sie zufrieden und ohne Zweifel wieder gingen.
»Wie lernt man eigentlich das Brauhandwerk?«, fragte ich Georg, um Interesse zu signalisieren, schließlich war das hier sein Leben. Georg freute sich über jede meiner Nachfragen und erklärte, dass er eine dreijährige Ausbildung zum Brauer gemacht habe und nach zwei Jahren Praxis in einer Brauerei zum Brau- und Malzmeister ausgebildet worden sei. »Valentin hingegen hat Brau- und Lebensmitteltechnologie an der TUM in Weihenstephan studiert. Mit Betriebswirtschaftslehre dazu, um in jedem Unternehmen arbeiten zu können, falls die Brauerei nichts für ihn ist.«
Interessant, ob es wohl eine Art Erbrechtsfolge gab? Was, wenn Valentin eine andere Richtung hätte einschlagen wollen? Neugierig, wie ich war, fragte ich nach.
»Wollte Valentin nie einen anderen Beruf ergreifen oder eine andere Richtung einschlagen?« Aus den Augenwinkeln betrachtete ich Valentin, der ein paar Arbeitern gerade Anweisungen gab.
Georg hielt einen Moment inne und antwortete dann zögerlich: »Hm, da musst du ihn am besten selber fragen. Zumindest macht es ihm großen Spaß, seit er wieder hier ist, allein die Ideen, die er hat, sind so innovativ und jetzt schon erfolgreich, dass es uns wieder sehr nah an die schwarzen Zahlen herangebracht hat. Wenn sein neuestes Projekt Früchte trägt, haben wir schon bald ganz neue Perspektiven.«
Das klang ja fast so, als ob Valentin der Brauerei-Messias sei, so ehrfürchtig, wie Georg sprach.
»Was ist denn das für ein Projekt?«, interessierte es mich dann doch.
»Wie? Valentin spricht doch von nichts anderem, hast du das noch nicht mitbekommen?«
War jetzt der Moment, Georg, der in gewisser Weise in seiner eigenen Welt lebte und Konflikte nicht an sich ranließ, aus seinem Wolkenkuckucksheim zu holen und ihm zu sagen, dass sein Erstgeborener bis vor Kurzem nicht mehr als nötig mit mir gesprochen hatte, auch wenn alle anderen in der Familie mich mochten?
»Äh, nee, hat sich bislang noch keine Gelegenheit ergeben«, flunkerte ich. Wie sich herausstellte, hatte Valentin ein kleines, aber feines Weingut in Franken gekauft, das sich in den letzten Jahren bereits einen Spitzenruf unter Weinkennern verdient und mehrere Auszeichnungen national und international bekommen hatte. Die Rebfläche lag bei fünfzehn Hektar, der Boden bestand aus
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