Heute morgen und fuer immer - Roman
eintreten und hoffe, dass es deiner Hand dann schon wieder besser geht. Bitte melde dich bei mir, damit wir über alles sprechen können. Im Übrigen finde ich Amelies gespielte Sorge abstoßend, da sie offensichtlich nur das Ziel verfolgt, deine Stelle zu bekommen, aber das kennst du ja bereits. Liebe Clara, lass es dir gut gehen, gute Besserung, und ich glaube nach wie vor an dich und daran, dass du die beste Besetzung für die Stelle bist.
Alles Liebe,
Professor Bruckner
In Strömen liefen mir die Tränen über die Wangen, so viel Güte und Verständnis kam mir aus seinen Zeilen entgegen, dass ich einfach nur weinen konnte. Die Stelle war ich erst mal los, aber das war mir davor schon klar gewesen. Eine finanzielle wie existenzielle Katastrophe. Aber was Professor Bruckner, der jahrelang mein Schutz und Schirmherr gewesen war, mein Förderer und Vaterersatz von mir hielt, war mir so wichtig, dass die Erleichterung darüber, dass er mich nicht verstieß, sondern sich die Gründe denken konnte, in diesem Moment überwog. Sofort setzte ich mich an meinen Schreibtisch und schrieb seit langen Jahren einen Brief, in welchem ich versuchte zu erklären, was mich zum Verschweigen meiner Krankheit getrieben hatte. Ihm musste ich nicht erklären, was meine Omi, Helene, Maxi und das Waldhaus für mich bedeuteten. Er kannte meinen Werdegang und die Probleme um das Waldhaus, die sich in den letzten zwei Jahren drastisch verschlimmert hatten. So sehr, dass es finanziell eben um alles ging. Dazu der unglückselige Wasserschaden, der uns um einige Gästebuchungen brachte. Zudem war der Sachverständige der Versicherung immer noch nicht da gewesen, und solange zahlte die Versicherung nicht. Die monatlichen finanziellen Verpflichtungen liefen aber weiter, und die Bank war in Zeiten wie diesen nicht so geduldig und kulant, wie man es sich gewünscht hätte. Als letzte Möglichkeit stand immer noch ein Verkauf im Raum, was weder Omi, Helene oder ich übers Herz brachten. Um den Job zu bekommen, hatte ich viel riskiert. Natürlich hatte ich mich nicht für Konzerte buchen lassen können, nur um sie dann abzusagen, wenn es mit der Dozentenstelle klappte. Das ging einfach nicht, da wurden Tourneeplakate gedruckt, Karten vorverkauft, ich wäre mit einer saftigen Vertragsstrafe belegt worden und hätte meinen Ruf in der Branche komplett ruiniert. Das Risiko war allerdings kalkulierbar gewesen, Professor Bruckners Gewicht an der Hochschule war schon sehr stark, und er war es auch gewesen, der mich ermutigte, diesen Schritt zu gehen. Unmissverständlich hatte er mir signalisiert, dass alles gut gehen würde. Da wussten wir beide noch nichts von meinem Karpaltunnelsyndrom und von Amelie, die sich plötzlich mitbewarb. So war das eben, das Leben hielt immer Überraschungen bereit, manchmal schmeckten sie einem nur nicht. Abschließend bedankte ich mich in meinem Brief für sein Vertrauen und schlug einen Termin für ein Treffen nach Weihnachten im Januar vor. Für heute war ich erleichtert, aber eines war mir klar: Ich konnte nicht tatenlos zusehen, wie die Stelle einfach an Amelie vergeben wurde, sondern musste und wollte um meine Rehabilitation kämpfen. Völlig erschöpft, aber auch erleichtert, zwei Dinge geklärt zu haben, die mir auf der Seele lagen, ging ich nach unten und half Omi und Helene mit den Vorbereitungen für die Weihnachtsdeko. Mein Helfen bestand vor allem darin, kreative Vorschläge zu machen und mit dem gesunden Arm zu zeigen, wo man die Orangen und Nelken am besten aufhängen konnte und wo welcher Strohstern sich besonders gut machte. Seit unsere Eltern verunglückt waren, lief Weihnachten jedes Jahr gleich für mich ab. Die Vorweihnachtszeit mochte ich sehr, die fand ich gemütlich, heimelig und schön. Je näher der Heilige Abend rückte, umso deprimierter wurde ich. Am 24. Dezember war ich dann vollkommen sentimental, labil und nicht in der Lage, meine Gefühle zu kontrollieren. All das Vermissen, die Sehnsucht nach meinen Eltern konnte ich unterm Jahr mal besser, mal schlechter verdrängen, es
war, als ob sich alles auf den Heiligabend konzentrierte, denn am nächsten Tag hellte sich meine Stimmung meistens auf. Dieses Jahr hätte ich eigentlich mit Jasper feiern wollen. Das war, bevor sich meine Gefühle für Valentin entwickelten. So schön wäre der Abend zur Abwechslung verlaufen mit der großen herzlichen Familie. Nele mit glänzenden Augen und meine kleine Familie dabei mit Omi, Helene und Maxi. Stattdessen
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