Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heute morgen und fuer immer - Roman

Heute morgen und fuer immer - Roman

Titel: Heute morgen und fuer immer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
Vom Netzwerk:
guten Herz! Und dein Bruder? Welcher Bruder? Dann ziehen wir eben weg, und ich komm auf Familienfeste nicht mehr mit!«
    Leider wusste ich im Inneren, dass ich das Richtige tat, auch wenn es schmerzte. Das Gefühlswirrwarr konnte einem aber auch den Verstand vernebeln. Völlig fertig und verheult kam ich im Waldhaus an und huschte an ein paar Gästen vorbei in den Privatbereich.
    »Jetzt gibt's erst mal 'nen Glühwein! Wir haben gerade welchen für die Gäste frisch gemacht, mit ganz viel Zimtstangen und Nelken. Genau das Richtige!« Omi drückte mich in den großen hellen Ohrensessel mit den Holzbeinen, den Papa damals gekauft hatte, zog den breiten Fußschemel vor, legte meine Füße ab und gab mir ein Kissen unter die breite Armlehne für meinen kaputten Arm. Apathisch starrte ich ins Feuer, bis Omi zurückkam, sich einen Sessel dazustellte, mir ein Taschentuch reichte und den Glühwein auf ein Beistelltischchen platzierte. Eine Weile saßen wir einfach da und sahen gemeinsam dem tanzenden, knackenden Feuer zu, bis Omi anfing zu sprechen.
    »Du kannst vieles im Leben planen und kontrollieren, bis auf die Liebe. Eine gute Tochter, Enkelin, Schwester, das kannst du immer sein, eine gute Freundin auch. Da sind andere Gefühle im Spiel, und es ist leichter, sich moralisch fair und richtig zu verhalten. In der Liebe aber bleibt dir manchmal keine Chance, als kurzzeitig gegen deine eigenen Werte zu verstoßen, dich selbst nicht mehr zu erkennen oder Menschen zu verletzen, die dir nahe sind. Das tut weh, aber geht nicht anders, denn so manches kann man in Freundschaften oder der Familie akzeptieren und hinnehmen, in der Liebe aber gibt es kein Vielleicht oder ›mal sehen‹. Sie verlangt nach Entschiedenheit, sie bahnt sich ihren Weg, sie ist stärker als die Vernunft und vor allem immer stärker als das, was sein darf. Dass du Valentin liebst und er dich, habe ich sofort gesehen. Dich von Jasper zu trennen war richtig. Du wirst sehen, es ist kompliziert, aber das wird es, je älter du wirst, weil in deiner Lebensphase so viele wichtige Weichen gestellt werden. Du bist nicht mehr Anfang zwanzig, wo du jede Entscheidung einfach korrigieren kannst, weil ja genug Zeit ist. Nein, für dich stehen Themen wie Kinder und Zukunft an, die gut überlegt sein wollen. Auch wenn du es nicht gerne hörst, aber mit Anfang dreißig solltest du auch nicht mehr mit jemandem zusammen sein, den du dir nicht als potenziellen Vater deiner Kinder vorstellen kannst, zum Experimentieren sind die Zwanziger da!«
    Ob das der Moment war, an dem Omis Weisheit in eine Richtung driftete, die ich nicht weiter diskutieren wollte? Sie war leider, was das Thema Sex anging, sehr offen und überhaupt nicht gehemmt, was ich an sich ja gut fand, aber nur theoretisch. In der Praxis hielt ich mir lieber die Ohren zu und dachte an eine Blumenwiese. Meine Aufklärung hatte sie auch liebend gern übernommen, sich viel Zeit genommen und mir Sachen erklärt, die ich mit zehn Jahren noch nicht im Detail hätte wissen müssen. Omi sah, dass mein Glas leer war.
    »Willst du noch einen Glühwein?«
    Ich nickte, wahrscheinlich war das nicht sehr clever so kurz nach der OP, aber auf meinem Zimmer lag immer noch der Brief von Professor Bruckner - ungeöffnet. Bislang fehlte mir schlichtweg die Courage. Mit dem zweiten Glas bewaffnet, ging ich nach oben, setzte mich auf mein Bett, nahm all meinen Mut zusammen, atmete tief ein und öffnete mit zitternden Händen und ziemlich umständlich wegen des geschienten Arms seinen Brief. Selten war ich so aufgeregt. Professor Bruckners Brief war von Hand geschrieben, kurz, aber seine wenigen Sätze brachten mich zum Weinen.
    Liebe Clara,
    von Amelie Fischer haben wir erfahren, dass es dir nicht gut geht, du an einem Karpaltunnelsyndrom leidest und daran gerade operiert wurdest, Ausgang der Heilung ungewiss. Natürlich kannst du dir vorstellen, dass diese Nachricht hier einige Unruhe ausgelöst hat, Professor Wiese war einerseits bestürzt, andererseits enttäuscht, dass du dein Leiden nicht offen angesprochen hast. Ich kenne dich besser und weiß, dass es dafür bestimmt Gründe gibt, ich vermute, sie könnten mit deiner Familie und dem Waldhaus zusammenhängen. Im Moment, liebe Clara, sieht es leider so aus, dass du die Stelle nicht mehr hast und erwogen wird, sie Amelie zu geben. So kurz vor Weihnachten kann ich daran nichts mehr ändern, aber im neuen Jahr kommt das Komitee zusammen, und ich werde auf alle Fälle für dich

Weitere Kostenlose Bücher