Heute morgen und fuer immer - Roman
Zweifel, dessen war ich mir sicher, hätten über kurz oder lang dazu geführt, dass ich mich getrennt hätte. Jasper war der perfekte Mann, wenn man Anfang zwanzig war. Mit Anfang dreißig hingegen verschob sich die Priorität dann doch, und andere Eigenschaften waren gefragt. Selbst wenn es mich schmerzte, Jasper verletzen zu müssen, und ich auch selbst unter der Trennung leiden würde, war ich im Grunde meines Herzens überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Für Jasper hingegen war es schlichtweg eine Katastrophe. Zum ersten Mal konnte er sich mit einer Frau Familie und Zukunft vorstellen, und ausgerechnet die servierte ihn jetzt unter für ihn fadenscheinigen Gründen ab. Die Situation und Standardsätze kannte er normalerweise von der anderen Seite aus. Es waren routinierte Sätze wie: »Ich bin im Moment noch nicht so weit, es liegt nicht an dir, du bist ein so toller Mensch, wer würde dich nicht haben wollen?«
Sie selbst zu hören war neu für ihn. Für alles gibt es ein erstes Mal, ich war jedoch nicht sehr erpicht darauf, Jasper dieses erste Mal zu bescheren.
»Kurz, schmerzlos und konsequent muss man eine Trennung durchziehen«, hatte Helene mir auf den Weg mitgegeben.
»Sei klar und endgültig, lass keine Hintertür offen, und mach ihm keine Hoffnung! Das ist im Moment schlimm, aber auf lange Sicht wird es einfacher für ihn sein, Abstand zu bekommen und Wut auf dich entwickeln zu können!«
Helene sagte das nicht nur so. Sie kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich es hasste, Menschen, die mir nahestanden, zu verletzen. Lieber litt ich und sprach keinen Klartext. Meine Überzeugung war, dass man Menschen in zwei Kategorien einteilen konnte. Die einen, die ein Pflaster mit einem Ruck herunterrissen, was für einen kurzen Moment Hölle wehtat und hinterher etwas länger und intensiver brannte; und dann gab es die, die ein Pflaster Härchen für Härchen langsam abziepten und den Schmerz dadurch zwar regulierten, aber dafür unnötig in die Länge zogen. Ich sah mich eindeutig bei der zweiten Kategorie der Pf-Lasterfrauen, wünschte mir aber öfter, zur ersten zu gehören. Die Heftig-aber-kurz-Anhänger waren oft etwas egomaner, dafür aber auch konsequenter und nicht so zögerlich. Zurück zu Jasper und mir. Wir gingen durch den Englischen Garten, passend zum Thema dämmerte es, und zwar so ein schönes pinkfarbenes Dämmern, wie es das nur im Dezember gibt. Es war schwerer als gedacht, Schluss zu machen, vor allem, wenn man den wahren Grund nicht aussprechen konnte und die Gefühle für den anderen nicht komplett abgestorben waren. Jasper hatte mir, abgesehen davon, dass er noch ein Kindskopf war und wir zu unterschiedlich, schließlich nichts getan, er war liebevoll, aufmerksam, leider nur nicht der Richtige. Nur der Gedanke daran, dass es sein musste und ich endlich wieder ein Stück Seelenfrieden bekommen würde, half mir, standhaft zu bleiben. Wer hatte eigentlich das Märchen in die Welt gesetzt, dass es leichter war, Schluss zu machen? Der, der verlassen wurde, hatte alle Unterstützung dieser Welt, eine Situation, die nicht zu ändern war, und musste sich wohl oder übel damit abfinden. Konnte beginnen, den anderen zu hassen, über ihn hinwegkommen, um sich schließlich auf sich selbst zu konzentrieren, die neue Freiheit zu genießen und irgendwann eine neue Beziehung zu beginnen und den anderen zu vergessen. Der, der Schluss machte, wusste bereits davor, was er dem anderen zumuten würde, konnte keine Sympathien erwarten, denn alle dachten, dass er das ja so wollte und die Entscheidung selbst getroffen hatte. Man musste sehen, wie man damit zurechtkam, durfte das schlechte Gewissen nicht äußern, nicht sagen, dass es einem auch wehtat, und vor allem bloß keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung äußern, dann wurde man gesteinigt, da man den anderen so viel zumutete. Jasper reagierte sehr würdevoll und stolz. Als er verstand, dass ich es ernst meinte, begann er nicht zu flehen, nicht zu betteln, nicht zu fluchen. Vielmehr liefen ihm die Tränen über die Wangen. Er nahm mich in den Arm, sagte keine Worte wie »Du brichst mir das Herz« oder »Ich bring mich um!«, nein, er akzeptierte die Entscheidung, machte mir keine Szene und nahm alles so tapfer an, dass es mir beinahe das Herz brach und ich kurz davor war zu rufen: »Ich hab mich geirrt! Wir bekommen das wieder hin. Die paar Sachen, die mich gestört haben, was sind die schon im Vergleich zu deinem
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