Heute morgen und fuer immer - Roman
Pupillen an. Schnell klärte ich sie auf, und plötzlich sah Helene so aus, als ob ich ihren Puls fühlen musste. Zum Glück verkniff sie sich Kommentare wie: »Ich hab dir gleich gesagt, dass es 'ne Schnapsidee ist. Das kommt dabei raus, wenn man nicht mit offenen Karten spielt.« Wir beide wussten, was der richtige Weg gewesen wäre, aber wir wussten beide auch, dass es manchmal eben komplizierter war.
»Omi sollten wir das auf keinen Fall sagen. Lass mal sehen, ob du das wieder hinbiegen kannst oder was es für Alternativen gibt. Vielleicht kann ich ja noch ein paar Nachtschichten mehr übernehmen, um Omi zu unterstützen«, überlegte Helene, woraufhin ich sofort protestierte.
»Es reicht, wenn Maxi schon seinen Vater nicht kennt, wäre schön, wenn er dann wenigstens dich weiter zu Gesicht bekommt! Ich hab uns das eingebrockt, also werde ich es auch wieder zurechtbiegen!«
Helene strich mir über den Kopf, ihre Augen hatten wieder diesen vertrauten gütigen Blick.
»Dass du krank geworden bist, dafür kannst du nun wirklich nichts. Außerdem hast du das zum größten Teil doch für uns und das Waldhaus gemacht!«
Da war etwas Wahres dran. Wenn es nur um mich allein gegangen wäre, hätte ich eher in den sauren Apfel gebissen und wäre wieder auf Tour gegangen. Mich allein brachte ich locker durch.
Helene seufzte besorgt: »Wie sagte Mama immer: Wenn's kommt, dann richtig!«
Das war der Moment, in dem alle Dämme brachen. Die Tränen liefen erst über mein Gesicht, dann über das hübsche Krankenhauskleidchen, während Helene mich tröstend im Arm hielt und mantraartig vor sich hin sagte: »Alles wird gut, alles wird gut!«
Dass alles gut wird, zumindest, was meine eigenmächtige Selbstentlassung betraf, sah Professor Eichmüller anders.
»Frau Herbst, Sie sollten eigentlich noch zwei Tage zur Beobachtung hierbleiben, sind Sie sich sicher, dass Sie entlassen werden wollen?«
Ja, war ich mir. Keine Minute länger wollte ich hierbleiben und tatenlos zusehen, während meine Zukunft da draußen in die Brüche ging. Außerdem versicherte mir Helene, dass ich schon rauskönnte, wenn ich mich vernünftig verhielt und darauf achtete, die Hand nicht zu belasten. Sie war der Ansicht, dass es eher um die Privatpatienten-Bettenbelegung am Wochenende ging und nicht um meine Genesung. Zumal ich nicht länger bei Professor Eichmüller auf der Station liegen wollte, weil er mich, wenn auch unbeabsichtigt, an Amelie verraten hatte. Natürlich schmierte ich ihm seine unbeabsichtigte Indiskretion aufs Brot und die Folgen, die sie für mich haben würde, und verließ, bevor der sichtlich geschockte Professor antworten konnte, mit meinem kleinen Köfferchen und gestützt von Helene noch etwas wacklig das Krankenhaus. Helene hatte mit Jasper gesprochen, ihm erklärt, dass ich zwar entlassen war, aber heute noch Ruhe bräuchte und er mich morgen früh im Waldhaus besuchen könne.
Kapitel 14
Die (Pf-)Lasterfrau
»Ich versteh dich einfach nicht. Was meinst du damit, dass du mich nicht mehr genug liebst? Auf einen Schlag, einfach so?« Jasper sah mich fassungslos an. Eine Mischung aus Schmerz, Wut und Ungläubigkeit. Oh Mann, was wünschte ich mir die kurzen belanglosen Fernbeziehungen der letzten Jahre zurück, wo man sich sehr erwachsen mit ein paar Tränen verabschiedete und über Facebook befreundet blieb. Das hier war intensiv und ging viel tiefer. Zum einen war ich anfangs sehr in Jasper verliebt gewesen und von einer anderen Perspektive ausgegangen, bevor ich Valentin getroffen und mich schockverliebt hatte. Wenn ich ehrlich war, hatten sich die Zweifel, was meine Beziehung zu Jasper anging, unabhängig von Valentin eingeschlichen. Nach dem ersten Rausch hatte es immer öfter Streit und Reibereien gegeben. Vor allem Jaspers Unzuverlässigkeit trieb mich in den Wahnsinn, und sein Lebenswandel, den ich am Anfang noch herrlich unkonventionell empfand, nervte mich ziemlich, wenn ich ihn vor zwölf Uhr morgens nicht anrufen durfte, weil er nachts wieder versumpft war. Auch das ewige Auf-ihn-warten-Müssen, nach Entschuldigungen zu suchen, wenn er zu einer Verabredung überhaupt nicht auftauchte, das alles hatte an meinen Nerven gezerrt. Vor allem aber fand ich die Vorstellung, dass Jasper alles, was im gebärfähigen Alter an Frauen in München lebte und nicht hinkte, zwischen seinen Laken gehabt hatte und wir immer wieder mit seiner Vergangenheit konfrontiert wurden, egal, wo wir hinkamen, so gar nicht prickelnd. All diese
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