Heute morgen und fuer immer - Roman
jetzt mal zu spannenderen Themen. Hast du deinem Chef schon die frohe Botschaft überbracht, dass er einen Prachtkerl als Sohn hat?«
Helene hörte schlagartig auf zu lachen und sah sich unsicher um, ob uns jemand hören konnte. Automatisch senkte sie die Stimme und sprach leise weiter, immer wieder um sich blickend, sodass ich sie doch kurz darauf hinweisen musste, dass die Leute so eher denken würde, sie leide am Tourette-Syndrom, als dass sie mir nur was Verschwiegenes anvertrauen wollte.
»So, du Scherzkeks, ich habe Theo nur gesagt, dass ich gerne mit ihm ein Gespräch unter vier Augen führen möchte, und das findet morgen in der Mittagspause statt.«
Wahnsinn! Wie er wohl reagieren würde? Sauer, erfreut, geschockt? Alles auf einmal?
»Meinst du, er ahnt was?«, fragte ich Helene, die ihre Arrabbiata kaum anrührte und mir ihre Portion anbot, schließlich konnte man Tonis leckeres Essen nicht unangetastet wieder zurückgehen lassen.
Helene schüttelte energisch den Kopf. »Nein, ich glaube, er denkt, ich will kündigen, 'ne Gehaltserhöhung oder nicht mehr Schicht arbeiten, weil Omi in der Reha ist!«
Na, dann durfte sich Theo auf etwas gefasst machen. Auf einen Schlag Vater eines zwölfjährigen Sohns zu werden war bestimmt, gelinde gesagt, eine Überraschung. Die Windel- und Trotzphase hatte er auslassen können, wobei ihm die Möglichkeit blieb, Maxis Pubertät nun live und in Farbe mitzuerleben. Vom ersten Pickel über den Bartflaum bis hin zum Bass in einem noch viel zu kurzen Körper. Ja, es gab einiges, was die Vater-Sohn-Beziehung in petto hielt.
»Wie geht's Maxi eigentlich damit?«
Seit Tagen hatte ich ihn nicht mehr gesehen, also genauer seit Heiligabend.
»Du wirst es nicht glauben, aber er blüht richtig auf. Zwischendurch ist er immer mal wieder sauer auf mich, aber meistens schwebt er auf Wolke sieben, dass er jetzt seinen Vater kennt und ihn sogar mag. Was ihn, glaube ich, auch freut, ist, dass es kein unbedeutender One-Night-Stand war, sondern Theo meine große Liebe ist. Das macht es leichter, weil er versteht, dass er in gewisser Weise mein Wunschkind genau von diesem Mann war. Jetzt will er natürlich, so schnell wie möglich, mit Theo sprechen und ihn besser kennenlernen!«
Helene war deutlich anzusehen, dass sie sich einerseits fürchtete, es andererseits aber gern für Maxi machte und auch gespannt war, wie Theos Reaktion ausfallen würde. Zumindest hatte Theo nicht zu befürchten, dass Helene einen Skandal wollte, das hätte sie einfacher und vor Jahren haben können. Außerdem war sie das Gegenteil von Skandal, und wenn jemand im Duden unter rechtschaffen und integer geblättert hätte, wäre Helenes Gesicht daneben aufgetaucht.
»Alles wird gut, du wirst schon sehen!«
Helene sah nicht so aus, als ob sie daran glaubte. Gedankenversunken sah sie vor sich hin. Ich konnte förmlich dabei zusehen, wie es in ihrem Kopf ratterte. Plötzlich sah sie mich an und rief: »Kannst du nicht einfach zu dem Gespräch mitkommen? Ich hab solche Angst davor!«
Meine große Schwester und Angst?
»Wie stellst du dir das vor? Soll ich mich als menschliches Schutzschild zwischen euch stellen und ihm die Sätze sagen, während du hinter mir kauerst, Cyrana de Bergerac?«
Helene überlegte den Bruchteil einer Sekunde, ob das ein gangbarer Weg war, so verzweifelt schien sie, und ehrlich gesagt konnte ich es nachvollziehen. In ihrer Haut wollte ich nicht stecken! »Aber kannst du nicht einfach in der Nähe sein? Falls es eskaliert oder ich zusammenklappe, bist du wenigstens da ...« Ich merkte, wie sehr sie sich sorgte, und Helene war doch auch immer für mich da, also überlegte ich nicht lange. »Wenn dir das wichtig ist, bin ich dabei. Du musst das wissen. Allerdings kann ich morgen Nachmittag nicht.« Helene fiel ein Stein vom Herzen. »Das macht überhaupt nichts. Ich weiß, dass Theo heute auch Zeit hat, dann spreche ich eben jetzt mit ihm.«
Jetzt? Mussten wir uns nicht noch kugelsichere Westen besorgen oder zumindest ein Pfefferspray? Bevor ich protestieren konnte, rief Helene bereits Theodor an. »Du weißt, dass ich dringend mit dir sprechen muss. Könntest du auch jetzt gleich anstatt morgen?« Theo konnte, wahrscheinlich war er auch neugierig und wollte brennend wissen, was es mit Helenes Gespräch auf sich hatte, und so war ich mittendrin und live dabei - bei der Aktion Beichtstuhl. So lange Helene die Stunde der Wahrheit vor sich hergeschoben hatte, so eilig war es ihr plötzlich
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