Heute morgen und fuer immer - Roman
weiß ja ungefähr, wie groß das Waldhaus ist, und selbst wenn er großzügig schätzt, käme er nicht mal auf die Hälfte des Betrages.«
Bahnhof, ich verstand nur Bahnhof und konnte mir keinen Reim auf Valentins Worte machen. Anscheinend sah ich genauso intelligent aus, wie ich mich im Moment fühlte.
»Genauso doof wie du habe ich auch geguckt! Also bin ich zurück ins Waldhaus und habe mir noch mal die Rechnung angeschaut. Briefkopf, Adresse, alles stimmte, aber ich glaubte auch diesem Hauser, dass er keinen Auftrag von euch angenommen hat, irgendwie schien er aufrichtig zu sein. Aber wenn Hauser nicht log, wer hatte dann das Dach repariert und an wen habt ihr so viel Geld gezahlt, viel zu viel Geld anscheinend? Es hat 'nen Moment gedauert ... Nach Durchsicht der Kontoauszüge wurde an die Firma Hauser überwiesen, alles korrekt, nur dann hab ich genauer hingeschaut und gesehen, dass die Kontonummern nicht übereinstimmen. Die Bank ja, der Betrag und Firmennamen auch, aber eben die Kontonummern nicht. Da hab ich sofort andere Reparaturen, die ihr im letzten Jahr gemacht habt, recherchiert und habe in mehreren Fällen dasselbe Muster entdeckt: Ihr habt das Geld jeweils an Firmen überwiesen, die inzwischen pleite sind, vermutlich viel zu hohe Summen, und das viele Geld ging immer auf das gleiche Konto! Es war auf allen Rechnungen die gleiche Kontonummer angegeben.«
Valentin machte eine kurze Pause, um zu sehen, ob ich ihm folgen konnte. Konnte ich, aber wer steckte hinter diesem Betrug?
»Ich habe bis eben alle Vorgänge der Buchhaltung geprüft, Einkäufe, andere Ausgaben, Lohnkosten ... und dabei habe ich festgestellt, dass ihr offiziell drei zusätzliche Mitarbeiter angemeldet habt, die zusammen auf ein Jahresgehalt von einhundertfünftausend Euro kommen, hier aber noch nie gearbeitet haben! Laut eurer Lieferantenliste müsstet ihr einen Weinkeller haben, der den Bayerischen Hof vor Neid erblassen lassen würde, Flaschen im Wert bis zu siebenhundert Euro, ein Gesamtwert von über fünfzigtausend Euro, nur habe ich keine der Flaschen hier gefunden ... und so geht es heiter weiter!«
»Aber wer tut denn so was?« Ich war sprachlos, jemand hatte uns ganz übel mitgespielt, und das wohl schon länger! Aber wer? Wem war so ein perfides Vorgehen, solch ein abgebrühtes Verhalten, ein derartiger Betrug zuzutrauen. Frau Seliger ganz bestimmt nicht. FRAU SELIGER???
»Der Name, nach dem du suchst, heißt Seliger! Jawohl, die gute Frau Seliger, der Name scheint nicht Programm, es sei denn, sich zu bereichern wird neuerdings als selig machend angesehen!«
Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Die Unschuld vom Lande, im Polyesterkleid, das auch als Umkleidekabine herhalten könnte, hatte unser schwer verdientes Geld veruntreut und seelenruhig dabei zugeschaut, wie Omi vor Sorge fast krank wurde. Was standen wir hier denn noch tatenlos rum?
»Wir müssen sofort zu ihr und sie zur Rede stellen, oder fahren wir gleich zur Polizei? Können wir das denn alles auch nachweisen?«
Valentin war sich nicht sicher. »Wir brauchen ihr Passwort, am besten Zugriff auf ihre privaten Mails und Konten, aber dazu benötigen wir die Hilfe der Polizei oder eines Hackers ...«
Willkommen im Zeitalter der modernen Technik. Früher wären wir einfach zu Frau Seligers Wohnung gefahren, hätten die gestürmt und das gehortete Geld aus der Matratze und dem Kühlfach eingesammelt.
Plötzlich fiel mir unser IT-Mann Andy ein. »Ich hab 'ne Idee. Andy, der unser Netzwerk betreut, kann ihr Passwort wissen oder zurücksetzen. Wir fahren sofort zur Seliger, und im Auto ruf ich Andy an. Wir brauchen das Geld dringend. So einfach lassen wir die Seliger nicht davonkommen!«
Alle nickten. Valentin schnappte sich die Autoschlüssel und gab mir Zeichen mitzukommen. Hubertus zögerte: »Wollen wir nicht lieber gleich die Polizei einschalten? Immer wenn ich Krimis schaue und die Betroffenen versuchen, den Fall ohne Polizei zu lösen, geht das in die Hose. Und wer weiß, ob es nicht noch jede Menge Hintermänner gibt ...«
Hubertus hatte recht. Auch ich sah genug Krimis, um zu wissen, dass Alleingänge selten belohnt wurden. Aber dies war kein Film, sondern das Leben. Es ging um unsere Existenz. Und die Zeit lief uns davon.
»Keine Angst, wir schalten die Polizei ein, aber wenn wir zuerst zur Wache fahren, unseren Verdacht äußern, die Polizisten sich einen Durchsuchungsbefehl von der Staatsanwaltschaft besorgen, dauert das Stunden.« Zumindest war
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