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Heute schon geträumt

Heute schon geträumt

Titel: Heute schon geträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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reden?«
    Plötzlich fällt der Groschen. Als Mum »Überraschung« gesagt hat, dachte sie … und ich dachte …
    Oh Scheiße.
    Mein Mut sinkt. Ich muss ihr die Wahrheit sagen. Das Problem ist nur, dass es so sein wird, als erkläre man einem Lottomillionär, dass ein Irrtum vorliege und er in Wahrheit den Sechser gar nicht habe.
    »Und?«, drängt meine Mutter. »Wie lange willst du deine alte Mutter noch auf die Folter spannen?«
    Ein tiefer Atemzug. Und los. »Wir haben uns getrennt.«
    Stille. Dann -
    »Was?«, stößt sie entsetzt hervor.
    Eilig nutze ich die Tatsache, dass es ihr vor Schreck beinahe die Sprache verschlagen hat. »Genauer gesagt, ich habe mit ihm Schluss gemacht. Es war nicht das Richtige, Mum«, versuche ich zu erklären. »Ich dachte, es könnte funktionieren. Ich wollte, dass es funktioniert, aber das hat es nicht. Ich konnte nicht mehr so weitermachen, und nachdem ich erst einmal aufgehört hatte, es mir einzureden, und mir meine Beziehung ganz genau angesehen habe -«
    »Hast du vollkommen den Verstand verloren?«, unterbricht sie mich.
    Ich nehme die gewohnte Abkürzung und biege in eine Seitenstraße ein, während die Ereignisse der vergangenen Woche noch einmal vor meinem geistigen Auge vorüberziehen - die Begegnung mit meinem 21-jährigen Ich, unser Konzertbesuch, der Club, Olly, die Trennung von Miles.
    »Gut möglich«, erwidere ich und flitze an den geparkten Autos vorbei.Vielleicht hat Mum ja Recht, und ich bin tatsächlich völlig durchgeknallt. Vielleicht ruiniere ich mein Leben nach Strich und Faden und werde meinen Entschluss schon bald bitter bereuen.
    »Was um alles in der Welt ist nur in dich gefahren?«, herrscht sie mich an. »Wenn du ihn gleich anrufst, hast du bestimmt Glück und er nimmt dich zurück.«
    »Ich will aber nicht, dass er mich zurücknimmt!«, schreie ich. Und falls ich noch einen letzten Restzweifel hatte, ist er nun vollends ausgeräumt. »Ich liebe ihn nicht, und ich glaube auch nicht, dass er mich wirklich liebt«, füge ich bei der Erinnerung daran hinzu, dass ihm der Verlust des Hauses und des Geldes für das Gutachten offensichtlich nähergegangen ist als die Trennung von mir.
    »Aber er war doch so perfekt für dich.«
    »In der Theorie vielleicht«, räume ich ein, »aber nicht in der Realität. Miles ist ein netter Kerl, aber nicht für mich, Mum. Er hat mich nie richtig verstanden.«
    »Meinst du, ich verstehe deinen Vater?«, wirft sie ein. »Wir sind jetzt 33 Jahre verheiratet, und bis heute ist mir dieser Mann ein Rätsel.«
    »Mum, das ist doch etwas völlig anderes. Du liebst Dad.«
    »Aber Charlotte -«
    Als ich die Unterführung durchquere, ist die Leitung plötzlich tot. Ich verspüre einen Anflug von Erleichterung, klappe mein Telefon zu und gebe Gas.
    Als ich in meine alte Straße einbiege, fällt mein Blick auf den alten VW, der vor dem Haus geparkt ist. Nun ja, ich benutze zwar das Wort »geparkt«, aber in Wahrheit steht er fast einen Meter weit von der Bordsteinkante entfernt und völlig schräg in der Parklücke, als wäre jemand herumgefahren, hätte spontan Langeweile bekommen und den Wagen einfach mitten auf der Straße abgestellt.
    Was, wie mir jetzt wieder einfällt, meine Gewohnheit war. Ich stelle meinen Wagen hinter ihrem ab, wobei ich die glänzende nagelneue Stoßstange bemerke. Offenbar kommt der VW frisch aus der Werkstatt. Ich hoffe nur, sie ist meinem Rat gefolgt und hat einen Freund mitgenommen, um zu verhindern, dass die Typen sie über den Tisch ziehen.
    Erfreut gehe ich die Treppe hinauf, strecke die Hand nach  dem Delfin-Türklopfer aus und klopfe energisch. Ich höre Schritte, dann wird die Tür aufgerissen.
    »Hi, ich bin’s schon wieder.«
    Ich hatte erwartet, mein jüngeres Ich in übelster Katerstimmung vorzufinden, mit hämmernden Kopfschmerzen und in einem erbarmungswürdigen Gesamtzustand.Womit ich nicht gerechnet hatte, war, sie in Tränen aufgelöst vorzufinden.
    »Oh Gott, was ist los? Ist alles in Ordnung mit dir?«
    Tränen strömen Lottie übers Gesicht, und ihre Augen sind rot und verquollen. Sie nickt vehement. »Ja … schon …«, stößt sie zwischen zwei Schluchzern hervor.
    Ich war schon immer eine miserable Lügnerin.
    »Was um alles in der Welt ist denn los?«, frage ich besorgt.
    Sie putzt sich lautstark mit einem zerknüllten Stück Toilettenpapier die Nase und sieht mich völlig verzweifelt an. Was ist nur passiert?, frage ich mich aufrichtig besorgt. Sie sieht völlig fertig aus.

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