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Heute schon geträumt

Heute schon geträumt

Titel: Heute schon geträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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Panisch durchforste ich mein Gedächtnis. Ich kann mich nicht erinnern, so aufgelöst gewesen zu sein.Was kann nur passiert sein?
    »Billy Romani«, erklärt sie mit erstickter Stimme, ehe sie erneut herzzerreißend zu schluchzen beginnt.
    Bei der Erwähnung dieses Namens werde ich stocksteif. Natürlich. Jetzt weiß ich wieder, weshalb ich so durcheinander war. Ich habe herausgefunden, dass er eine andere hat.
    »Was ist mit ihm?« Ich komme mir wie die große Schwester vor, die sie beschützen möchte.
    Noch immer wird sie von Schluchzern geschüttelt. »Man hat ihn … mit diesem reichen Mädchen gesehen … die, die wie ein Karnickel aussieht …«, stammelt sie erstickt.
    »Liberty, diese verwöhnte Göre«, erkläre ich grimmig.
    Lottie verzieht das Gesicht und stößt ein jämmerliches Heulen aus. Es dauert eine ganze Weile, bis sie sich gefangen hat und weitersprechen kann. »Sieht so aus, als wären sie fest zusammen. Offenbar ist er …« Wieder hält sie inne, als bringe sie es nicht über sich, das Wort auszusprechen. »… verliebt in sie«, stößt sie schließlich hervor und vergräbt ihr Gesicht in der Toilettenpapierschlange.
    »Er ist in ihren Treuhandfonds verliebt«, korrigiere ich und lege ihr tröstend den Arm um die Schultern.
    Ich werde mit einem knappen Lächeln belohnt, ehe sie vom nächsten Weinkrampf geschüttelt wird.
    »Hey, komm schon, so schlimm ist es nun auch wieder nicht«, erkläre ich beschwichtigend und drücke sie an mich. »Sieh es doch mal von der positiven Seite - ich habe dich immerhin vor ihm gewarnt.« Eine Woge der Erleichterung durchströmt mich bei diesem Gedanken. »Wenigstens bist du nach dem Konzert nicht mit ihm nach Hause gegangen. Sonst wäre alles noch viel schlimmer.« Ich bemerke ihren Gesichtsausdruck. »Oh Gott, du bist doch nicht etwa doch …«
    Sie nickt wortlos.
    »Nach allem, was ich dir gesagt habe?«
    »Ich weiß, aber ich dachte …«
    »Du wüsstest es besser«, ende ich.
    Sie läuft rot an.
    Und mir blutet das Herz. Ich hätte es wissen müssen. Ich war schon immer unbelehrbar. Ein Dickschädel. In jüngeren Jahren habe ich mir von keinem etwas sagen lassen, sondern genau das getan, was ich für richtig hielt. Ich wollte auf niemanden hören.
    Nicht einmal auf mich selbst, wird mir in diesem Moment bewusst, während Ärger auf Lottie in mir aufsteigt, weil sie nicht auf mich gehört hat. Wie zum Teufel soll ich mir helfen, wenn ich nicht mal auf mich selbst höre? Aber es ist nicht nur sie, auf die ich wütend bin: Ich bin wütend auf  mich selbst.Weil ich sie nicht aufgehalten habe, weil es mir nicht gelungen ist, sie daran zu hindern, denselben dummen Fehler zu begehen. Schließlich ist das doch der Grund, weshalb ich hier bin, oder? Um sie zu beschützen. Um dafür zu sorgen, dass sie nicht all die Dinge tut, die ich am liebsten ungeschehen machen würde.
    Mit einem Anflug von Reue wird mir bewusst, dass ich Lottie im Stich gelassen habe. Ich habe mich selbst im Stich gelassen. Ich hatte die Chance, alles richtig zu machen, und habe sie vermasselt. Ich komme mir wie eine komplette Idiotin und Versagerin vor. Doch beim Anblick von Lotties verquollenem, fleckigem Gesicht verfliegt meine Verärgerung so schnell, wie sie gekommen ist. Die Erfahrung hat mich gelehrt, mich von Typen wie Billy Romani fernzuhalten, aber auch, mit anderen mitzufühlen. Denn wenn jemand weiß, wie sie sich im Moment fühlt, dann wohl ich, oder?
    »Willst du darüber reden?«, frage ich sie.
    Sie sieht mich überrascht an, ehe sie sich lautstark die Nase putzt. Nickend setzt sie sich auf die Treppe, und ich lasse mich neben sie sinken. Sie schlingt sich die Arme um die Knie und starrt auf ihre nackten Füße. »Nachdem du mich abgesetzt hattest, bin ich zum Pub zurück, um zu sehen, ob er noch dort ist«, erzählt sie sichtlich verlegen.
    »Und war er?«, frage ich, obwohl ich die Antwort bereits kenne.
    »Hmhm.« Sie nickt. »Er stand mit den anderen Bandmitgliedern vor der Tür herum, also bin ich mit zur Party gefahren …« Sie hält inne und lässt die Ereignisse noch einmal Revue passieren.
    Ebenso wie ich.
    Für mich ist es, als sei das Ganze in einem anderen Leben passiert, und es fällt mir schwer, darüber nachzudenken,  ohne dabei an alles erinnert zu werden, was danach kam. Der Schmerz, zurückgewiesen zu werden, die Peinlichkeit, die Reue … aber wenn ich mich anstrenge, gelingt es mir, diesen einen Abend zu isolieren, mich auf meine Empfindungen von damals

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