Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heute schon geträumt

Heute schon geträumt

Titel: Heute schon geträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
Vom Netzwerk:
Oliver zu, der noch immer unter der Last des Grizzlys ächzt. »Tja … dann bis bald.«
    Ein wenig verlegen stehe ich da, unter den Argusaugen von Olivers Großvater und Welly, die beide ihre Tätigkeit - Pferdegeschirr abstauben und Stuhlbein beschnüffeln - unterbrochen haben.
    Oliver bleibt stehen und taucht unter dem Ungetüm auf. »Oh, hey.« Sein Gesicht ist rot angelaufen, und er ringt nach Atem. »Gehst du?«
    Wenn ich mich nicht irre, sieht er ein bisschen geknickt aus, stelle ich erfreut fest.
    »Ja, ich gehe zurück.« Ich nicke eindringlich, während ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. »Nach meiner Uhr suchen …« Ich lasse meine Stimme verklingen und beginne, an meinem Daumennagel zu kauen, ehe ich mich dabei ertappe und eilig den Finger aus dem Mund nehme. Was treibe ich da eigentlich? Ich kaue doch nicht mehr an den Nägeln. Nicht, seit ich sie mir regelmäßig machen lasse. »Ich muss …«
    »Denselben Weg noch mal zurückgehen.«
    »… denselben Weg noch mal zurückgehen.«
    Wir lachen, als die Worte wie aus einem Munde kommen, doch ihre Bedeutung entgeht mir nicht. Und Oliver scheinbar ebenso wenig, denn er sieht mich vielsagend an. Oder bilde ich es mir nur ein?
    Wahrscheinlich, denke ich und reiße mich zusammen. Ich meine, immerhin bin ich im Moment weit davon entfernt, in Topform zu sein. Ich habe kaum geschlafen, bin frisch von meinem langjährigen Freund getrennt, leide wahrscheinlich an einem Zuckerflash von dem Eis und den Keksen und bilde mir irgendwelchen Unsinn wegen eines Barkeepers ein, den ich vor zehn Jahren kennen gelernt habe und der nun unter dem Gewicht eines ausgestopften Grizzlys erstickt zu werden droht.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies Phase eins ist, von der ich in diesem Trennungsratgeber gelesen habe.
    »Ist es okay für dich, allein zurückzugehen?«
    »Ja, klar. Kein Problem.« Ich nicke und winke ab. »Ich habe meinen Wagen beim Pub stehen lassen.«
    »Musst du weit fahren?«
    »Nein, ich wohne nur fünf Minuten von dort, bei der Kirche. Spence Avenue«, blubbere ich, während mir mit jeder  Sekunde heißer wird. Ich muss dringend hier raus und ein bisschen frische Luft schnappen.
    »Tja, wenn du willst, kannst du ja später im Pub vorbeisehen«, schlägt er vor.
    »Ja.Vielleicht.«
    Pause.
    »Tja, noch mal danke für den Tee.« Ich wende mich Olivers Großvater zu, der dunkelrot anläuft und so tut, als poliere er das Pferdegeschirr.
    »Oh, gern geschehen, Liebes«, sagt er und mimt Überraschung, als hätte er die letzten Minuten nicht gespannt gelauscht.
    »Viel Glück mit Ginger«, sage ich so beiläufig wie möglich zu Oliver. Ich tätschle Welly ein letztes Mal den Kopf, dann verlasse ich zielstrebig und entschlossenen Schrittes den Laden.
    Ich korrigiere: Ich stoße gegen einen Schrank aus dem 18. Jahrhundert, schlage mir das Knie an und habe Mühe, die Tür aufzubekommen, die auf einmal zu klemmen scheint, ehe es mir gelingt, nur um die Stufen zu vergessen und halb auf die Straße hinauszufallen. Ehrlich, ich habe keine Ahnung, was mit mir los ist. Es ist, als wäre ich schlagartig wieder in die Haut meines tollpatschigen 22-jährigen Ich geschlüpft. Eilig marschiere ich mit vor Verlegenheit glühenden Wangen die Straße hinunter.
    Nach der staubigen Düsterkeit des Antiquitätenladens ist die Sonne gleißend hell. In der Hektik meines überstürzten Aufbruchs habe ich völlig vergessen, meine Sonnenbrille einzupacken. Ich kneife die Augen zusammen, als mein Blick auf einen der Stände fällt. Ich werde mir eine billige Brille für den Heimweg kaufen.
    Vor dem Stand hat sich eine ziemlich große Traube gebildet. Einen Moment lang überlege ich, doch lieber kehrtzumachen. Genau das ist der Grund, weshalb ich meine Sonnenbrillen lieber bei Harvey Nichols kaufe. Das und die Tatsache, dass ich dort echte Designerware mit anständigen UV-Gläsern bekomme. Schließlich gelingt es mir, eine Brille im Stil der neuesten Chanel-Modelle in die Finger zu bekommen.
    Und siehe da - dieses Modell hat ebenfalls UV-Gläser, stelle ich erstaunt fest. Der Standbesitzer drückt mir einen Spiegel in die Hand. Natürlich sehen diese Dinger billig aus, nach zweitklassiger Plastikimitation eben und -
    Wow, die sieht ja sensationell aus!
    Ich drehe den Kopf hin und her und spüre eine Erregung, wie ich sie schon seit Jahren nicht mehr erlebt habe, aber auf der Stelle wiedererkenne: Es ist der Kick, ein Schnäppchen gemacht zu haben.
    »Haben Sie die Brille,

Weitere Kostenlose Bücher