Heute schon geträumt
machen.
Aber es ist zu spät.
Ich sehe, wie er erschüttert zurückweicht, während sich die verschiedensten Regungen auf seinen Zügen abzeichnen, ehe er mich mit versteinerter Miene anstarrt. »Und du bist ein elendes Miststück«, sagt er eisig.
Es ist, als hätte mir jemand eine schallende Ohrfeige verpasst.
Einen Moment lang stehen wir beide wortlos da, schwer atmend, die Luft zwischen uns erfüllt von Zorn und Kränkung, und ich kann mich nur fragen, wie es so weit kommen, wie das passieren konnte, was ich tun kann, um die Zeit zurückzudrehen und es ungeschehen zu machen.
Aber ich kann es nicht.Was gesagt ist, ist gesagt.
»Ich denke, du solltest jetzt gehen«, sage ich schließlich mit mühsam beherrschter Stimme.
Er nickt knapp. »Ich bin schon weg, glaub mir.«
Und damit wendet er sich ab und verlässt meine Wohnung, dicht gefolgt von Welly. Krachend fällt die Tür hinter ihnen ins Schloss.
Kapitel 35
Ich packe den Messingtürklopfer und dresche damit auf die Haustür ein.Von drinnen höre ich Schritte, dann wird die Tür aufgerissen, und mein jüngeres Ich steht vor mir. »Oh Gott, ist alles in Ordnung mit dir?«, ruft sie bei meinem Anblick.
Diesmal bin ich diejenige, der Tränen übers Gesicht strömen. »Ja … alles … bestens«, stammle ich erstickt.
Wie gesagt, ich war schon immer eine lausige Lügnerin.
»Was um alles in der Welt ist denn passiert?«, fragt sie.
Ich putze mir mit einem zerknüllten Taschentuch die Nase und schüttle den Kopf. »Wir haben uns schrecklich gestritten«, presse ich zwischen Schluchzern hervor. »Er hat mich elendes Miststück genannt.«
»Er hat dich elendes Miststück genannt?«, ruft sie entsetzt. »Wer? Dein Ex?« Sie wird rot vor Zorn. »Warte nur, dem werde ich was erzählen.«
»Aber ich bin ein Miststück«, schniefe ich, während mir noch immer die Tränen über die Wangen strömen.
»Unsinn! Bist du nicht«, widerspricht sie empört.
»Doch, bin ich. Wirklich«, jaule ich. Und zwar in einer Lautstärke, dass ein paar Leute in den umstehenden Häusern die Köpfe zu den Fenstern herausstrecken, um zu sehen, wer hier eine solche Szene macht. Was normalerweise genügen würde, um mich vor Scham im Boden versinken zu lassen, aber nicht heute. Im Moment schert es mich keinen Pfifferling, ob ich wie eine komplette Vollidiotin dastehe. Es interessiert mich nicht, ob wildfremde Menschen mit dem Finger auf mich zeigen. Mich interessiert nur eines - Oliver.
Dieser Gedanke lässt mich einen Moment lang erstarren, ehe ich in noch lauteres Geheul ausbreche.
»Wieso denn? Weil du mit deinem Freund Schluss gemacht hast?«, fragt Lottie und streichelt beschwichtigend meine Schulter. »Für mich hat es sich sowieso angehört, als wär er ein kompletter Idiot.«
»Ich rede nicht von meinem Exfreund«, jammere ich und sehe sie aus rot geränderten, verquollenen Augen an.
»Nein?« Sie hört auf, meine Schulter zu streicheln. »Aber von wem denn sonst?«
»Von Oliver«, bringe ich mühsam hervor, ehe ich erneut in Tränen ausbreche.
Lottie sieht mich verwirrt an. »Ich schätze, du solltest reinkommen und mir alles erzählen.«
»Also, schieß los.«
Wir sind in meinem alten Zimmer, nur dass diesmal Lottie auf dem Suhl sitzt und mich mustert, während ich mich auf dem Futon zusammenrolle und Kaffee aus einem angeschlagenen Becher trinke. Mein altes Zimmer sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, was bei Tageslicht noch deutlicher wird als abends, doch während es mich vor ein paar Tagen noch gestört hat, empfinde ich die Atmosphäre nun als tröstlich.
»Keine Ahnung, wo ich anfangen soll«, seufze ich und nehme einen Schluck von dem Instant-Kaffee, den Lottie für mich gekocht hat.
»Wie wär’s mit dem Anfang?«, schlägt sie vor.
Ich schiebe mir das Haar hinter die Ohren und schüttle den Kopf. »Das ist ja das Problem - ich weiß nicht mehr, wo der Anfang überhaupt ist. Es ist alles so verworren.« Ich halte inne und frage mich, wie ich die Einzelteile meines Lebens nur wieder zu einem sinnvollen Ganzen zusammensetzen soll.
Der Einfachheit halber fange ich mit Oliver an und schildere Lottie, wie sich vor zehn Jahren unsere Wege gekreuzt haben. »Aber damals ist nichts passiert, er ist mir nicht aufgefallen, obwohl ich wünschte, er wäre es.« Mit einem reumütigen Lächeln zerpflücke ich mein Papiertaschentuch. »Und dann liefen wir uns aus heiterem Himmel wieder in die Arme. Und es schien, als würde tatsächlich etwas zwischen
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