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Heute schon geträumt

Heute schon geträumt

Titel: Heute schon geträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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uns passieren, so als bekämen wir vielleicht eine zweite Chance oder so etwas.« Wieder halte ich inne und lasse den Moment auf dem Balkon noch einmal Revue passieren. »Aber dann bekamen wir schrecklichen Streit«, ende ich kleinlaut.
    »Sag es nicht. Er war ein verlogenes Arschloch wie Billy Romani«, wirft sie aufgebracht ein.
    »Nein, absolut nicht«, wehre ich ab und schüttle traurig den Kopf.
    »Wieso dann?« Sie sieht mich verwirrt an.
    Ich denke daran zurück, wie ich mit Larry Goldstein vor dem Antiquitätenladen von Olivers Großvater gestanden habe. »Ich habe zugelassen, dass mein Kopf über mein Herz siegt«, antworte ich leise. »Ich habe mir gesagt, Geschäft sei Geschäft und für Privatangelegenheiten sei kein Platz. Ich habe versucht, rein rational zu handeln.«
    »Du meinst, du hast dein Bauchgefühl missachtet?«, hakt sie nach.
    Ich sehe sie an.Von diesem Standpunkt aus habe ich es noch gar nicht gesehen, aber sie hat völlig Recht. »Ich schätze, ich habe eine ganze Menge missachtet«, erwidere ich. »Ich habe meine Zweifel im Hinblick auf meine Beziehung mit Miles missachtet. Wir haben nie wirklich gut zusammengepasst - ich habe nur immer versucht, mir einzureden, wir täten es, weil ich wollte, dass es so ist. Und ich missachte ständig diese Stimme in meinem Kopf, die mir sagt, dass ich nicht glücklich bin. Denn schließlich muss ich es ja sein. Ich führe das tolle Leben, das ich mir immer erträumt habe,  ich bin erfolgreich, trage Größe 38.« Mit einem kläglichen Lächeln schlinge ich meine Arme um die Knie.
    »Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass etwas Wichtiges in meinem Leben fehlt.« Als ich die Worte laut ausspreche, wird mir bewusst, dass ich es zum ersten Mal vor mir selbst zugebe. »Ich weiß nur nicht, was. Und je heftiger ich danach suche, desto weniger finde ich es. Denn der Druck ist einfach zu groß und die Zeit viel zu knapp.«
    Ich habe all das so lange in mich hineingefressen, dass es sich jetzt anfühlt, als sprudle es förmlich aus mir heraus, nachdem ich einmal damit angefangen habe.
    »Es ist, als würde ich ständig Fangen spielen. Ich bin völlig geschafft, besorgt und ängstlich. Und hungrig.« Ich verdrehe die Augen und schneide eine Grimasse, als mir einfällt, dass ich seit dem Fitnessriegel zum Frühstück nichts mehr in den Magen bekommen habe.
    »Aber was soll das?«
    Ich sehe auf und mustere mein jüngeres Ich fragend.
    »Ich meine, was soll es bringen, sich ständig Sorgen zu machen?« Sie zuckt die Achseln.
    Ist das eine Fangfrage?, überlege ich.
    »Na ja, es geht nicht darum, ob es etwas bringt …«
    »Wieso tust du es dann?«
    »Weil …« Ich öffne den Mund, will erklären, aber mir fällt keine logische Erklärung ein.
    »Völlige Zeitverschwendung.« Sie greift nach einer Flasche Glitzernagellack und probiert ihn auf dem Nagel ihrer großen Zehe aus. »Wenn das Schlimmste passieren soll, passiert es auch. Du kannst es nicht verhindern, indem du dir ständig Sorgen deswegen machst. Und wenn es nicht passiert« - sie hebt die Brauen -, »hast du die Zeit verbummelt, die du hättest nutzen können, um dich zu amüsieren.« Mit einem breiten Grinsen stellt sie den Glitzerlack beiseite,  nimmt eine Flasche mit knallrotem Nagellack und probiert ihn an ihrem anderen Fuß aus.
    Erstaunt beobachte ich sie. Wann habe ich mich so sehr verändert? Wie bin ich von diesem sorglosen Geschöpf zu der Frau geworden, die ununterbrochen mit dieser Verkrampfung im Innern durch die Gegend läuft? Was um alles in der Welt ist mit mir passiert?
    Aber noch während ich mir diese Frage stelle, ist mir bewusst, dass ich tief im Herzen die Antwort darauf kenne.
    Denn ich habe Lottie nicht die ganze Geschichte erzählt. Da ist noch mehr. Sogar viel mehr. Ich habe es nur so lange in meinem Innern vergraben, dass ich selbst fast überzeugt bin, es sei niemals passiert. Bis vor ein paar Tagen, als ich erneut mit Billy Romani und den schmerzlichen Erinnerungen an ihn konfrontiert war.
    Natürlich ahnt Lottie von alldem nichts. Ich habe ihr nicht den wahren Grund gesagt, als ich meinte, sie solle nicht mit Billy Romani schlafen. Ich habe ihr nicht erzählt, was mir in Wahrheit das Herz gebrochen hat. Und wie hätte ich auch? Wie könnte ich meinem jüngeren Ich von den Ereignissen erzählen, die noch folgen sollten? Darüber, wie ich abserviert worden war, wie ich mich damit abgefunden hatte, nur um ein paar Wochen später festzustellen, dass etwas nicht in

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