Heute schon geträumt
Babysitter. Wir können in diesen Gastropub gehen, von dem du erzählt hast.« Mit einem triumphierenden Lächeln drückt sie mich an sich. »Alles klar.«
»Du schaffst es doch immer wieder, mich zum Lachen zu bringen.« Grinsend erwidere ich die Umarmung. Ich kann mich nicht erinnern, dass Vanessa je ein Nein als Antwort akzeptiert hatte.
»Du bringst mich zum Lachen!«, erklärt sie, als hätte ich sie beleidigt. »So habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gelacht. Ich habe mir beinahe in die Hose gemacht.«
Lachend winke ich ihr zum Abschied zu und überquere die Straße, um zu meinem Wagen zurückzugehen, der noch immer auf der Hauptstraße geparkt steht.
»Oh, und da ist noch etwas, das ich mit 21 gern gewusst hätte«, ruft sie mir nach.
»Was denn?« Ich drehe mich noch einmal zu ihr um. Sie grinst wehmütig. »Dass man frühzeitig mit dem Training der Beckenbodenmuskulatur anfangen sollte.«
Kapitel 9
Anspannen und halten. Anspannen und halten.
Verdammt, diese Dinger sind echt fies, was?
Eine Dreiviertelstunde später krieche ich im Schneckentempo durch den Feierabendverkehr nach Hause und mache dabei artig ein paar Übungen zur Straffung des Beckenbodens. Ehrlich gesagt habe ich das noch nie vorher geübt. Natürlich habe ich davon gehört, ganz am Rande, wenn ich im Wartezimmer beim Arzt irgendwelche Zeitschriften für die »reife Frau« durchgeblättert habe - Sie wissen schon, die mit den Anzeigen für den Hometrainer und Artikeln zur Neuausstattung des Wohnzimmers - und auf eine Anzeige für den Kegelmaster 2000 stieß. Daran erinnere ich mich deshalb so genau, weil es ein bisschen nach diesem Wunderbesen von Harry Potter klang, stattdessen handelte es sich um ein kegelförmiges Trainingsgerät für die südlichen Gefilde.
Jedenfalls war ich bislang immer davon ausgegangen, dass es sich bei der Beckenbodenmuskulatur um etwas handelt, dessen man sich erst anzunehmen braucht, wenn man bei Marks & Spencer Gesundheitssandalen kauft. Ehrlich gesagt, bin ich nicht mal sicher, ob das, was ich hier tue, überhaupt unter diesen Begriff fällt.
Aber nach Vanessas Beinahe-Missgeschick vorhin sollte ich sie wohl lieber trainieren, sage ich mir mit einem Anflug von Panik bei der Vorstellung, wie mich das Alter zwingt, Windeln zu tragen. Ich spanne nach Kräften an und halte sie voller Verzweiflung.
Ohne die Spannung zu lösen, lege ich den ersten Gang ein, als sich die Schlange vor mir wieder in Bewegung setzt. Wegen der Umleitung ist der Verkehr nach wie vor katastrophal. Und daran wird sich auch bis nächste Woche nichts ändern, denke ich beim Anblick der gelben Schilder. Es wird noch eine halbe Ewigkeit dauern, bis ich zu Hause bin. Andererseits gibt es mir jede Menge Zeit für meine Übungen. Ich glaube, hundert habe ich schon geschafft, denke ich voller Stolz. Okay, weiter geht’s.
Eins, zwei, drei, vier …
Das schrille Läuten meines Handys unterbricht mich. Ich setze mir das Headset auf und geh ran.
»Hallo, mein Püppchen«, dröhnt eine vertraute Stimme.
»Oh … hallo, Dad«, stammle ich verlegen, weil mein Vater mich gerade dabei erwischt hat, wie ich meine Beckenbodenmuskulatur auf Vordermann bringe. Was lächerlich ist, ich meine, er hat mich schließlich nicht beim Sex ertappt.
Okay, Schluss damit. Allein der Gedanke daran macht es auch nicht besser.
»Ich wollte nur anrufen und mich für die Blumen bedanken. Sie sind gestern Nachmittag geliefert worden.«
»Oh. Gut.« Ich lächle.
»Aber du hättest dir doch nicht solche Umstände machen müssen.«
»Dad, ich bitte dich, das waren doch keine Umstände«, antworte ich. Was auch stimmt. Ich habe lediglich angerufen und meine Kreditkartennummer durchgegeben, denke ich mit dem gewohnten Anflug von Schuldbewusstsein. »Ich freue mich, dass sie dir gefallen.«
Aus dem Augenwinkel nehme ich etwas Orangefarbenes wahr. »Oh, erinnerst du dich übrigens an diesen alten Käfer, den ich mal gefahren habe?«, frage ich und sehe zur Seite, aber der Wagen muss bereits an mir vorbeigefahren sein.
»Gott, das ist Jahre her …«
»Bis 1997«, antworte ich automatisch.
»Stimmt.Verdammt, du hast ja ein gutes Gedächtnis.« Er klingt beeindruckt. »Wohingegen meines neuerdings wie ein Sieb ist.«
»Weißt du noch, an wen du ihn verkauft hast?«
»Das kann ich dir allerdings noch ganz genau sagen …«
Ich lausche erwartungsvoll und gehe im Geiste eine Liste der Leute aus unserem Dorf durch, denen er den Wagen verkauft haben könnte.
Weitere Kostenlose Bücher