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Heute schon geträumt

Heute schon geträumt

Titel: Heute schon geträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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Vielleicht. Total durcheinander? Definitiv. Drauf und dran, den Verstand zu verlieren? Auch das.
    Verzweifelt ringe ich um meine Fassung, was nicht so einfach ist. Bestürzt betrachte ich meine Bluse. Es ist meine Lieblingsbluse von Nicole Farhi und mit dunkelroten Saftflecken übersät. Gott, wie das aussieht! Sie ist nagelneu. Und völlig ruiniert. Vielleicht, wenn ich sie in die Reinigung bringe …
    Ach, wem will ich etwas erzählen? Meine Bluse interessiert mich nicht die Bohne. Ich versuche doch nur, nicht darüber nachzudenken, dass ich mich gerade hier mit einem Mädchen in einem knappen Top und Silberlidschatten unterhalte, das rein zufällig ich selbst vor zehn Jahren ist.
    Das verleiht dem Wort Selbstgespräch eine völlig neue Bedeutung.
    »Es war nur ein kleiner Schock«, sage ich, um einen beiläufigen Tonfall bemüht, obwohl es sich anfühlt, als sei die Welt mit einem Mal völlig aus den Fugen geraten und ich müsste mich mit all meiner Kraft festhalten, um nicht ins Leere zu fallen, während ich so tue, als sei alles in bester Ordnung. »Aber es ist ja nichts passiert.« Ich zucke die Achseln und lache kurz.
    Keine Reaktion. Mein jüngeres Ich starrt mich an, die noch faltenfreie Stirn gerunzelt. Als denke sie sehr angestrengt über etwas nach. Als irritiere sie etwas. Als -
    Mit einem Mal fällt der Groschen.
    Natürlich!
    Sie erkennt mich.
    Mir ist klar, dass ich mich am Riemen reißen muss. Unter Garantie wird sie die Erkenntnis ebenso in Panik versetzen wie mich, wenn nicht sogar noch mehr. Da ich die Ältere bin, werde ich sie höchstwahrscheinlich beruhigen müssen. Wie eine ältere Schwester. Ihr sagen, sie solle sich keine Sorgen machen. Dass alles wieder gut werde, sie solle nur die Ruhe bewahren und sich nicht aufregen, wir bekämen das schon wieder hin.
    Sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen, und trotz meiner eigenen Verwirrung muss ich mich beherrschen, ihr nicht den Arm um die Schultern zu legen und sie zu trösten.
    »Salz.«
    Vielleicht bricht sie ja auch in Tränen aus, wird ohnmächtig oder bekommt eine Panikattacke oder so etwas …
    Moment, stopp.Was hat sie gerade gesagt?
    »Salz?«, wiederhole ich ungläubig.
    »Ja, genau. Und Weißwein.« Sie nickt und zeigt auf meine Bluse. »Ich bin sicher, damit gehen die Flecken raus. Trotzdem wirst du es wahrscheinlich in heißem Wasser einweichen müssen.« Sie lächelt entschuldigend.
    Was? Sie erkennt mich nicht? Sie hat keine Ahnung, wer ich bin? Ich starre sie ungläubig an.Aber sie muss mich doch erkennen. Sie ist doch ich, wir sind ein und dieselbe Person. Verdammt, was für ein Chaos.
    »Ich glaube, wir sind uns schon mal begegnet«, sage ich.
    Vielleicht will sie es nur nicht wahrhaben. So wie ich bis vorhin.
    »Ach ja?« Sie legt den Kopf schief und mustert mich, während sie sich offenbar das Hirn zermartert. »Nein, ich glaube nicht.« Sie grinst.
    Ich schlucke und hole tief Luft. »Ich bin’s, Charlotte«, flüstere ich und beuge mich vor.
    Ihr fällt die Kinnlade herunter, und sie presst sich eine Hand auf die Brust.
    Na also. Endlich.
    Im Geiste lege ich mir bereits eine Erklärung zurecht. Sie wird Fragen haben, Wie, Was, Wann, Wieso. Was ziemlich heikel werden wird, weil ich keine einzige beantworten kann.Aber mir wird schon etwas einfallen. Genauso wie Vanessa auf Rubys Frage, wieso ihr Daddy denn da so ein Ding zwischen den Beinen hätte, worauf sie meinte, das sei ein Schwanz, wie bei George, ihrem Cockerspaniel.Was ich für eine ziemlich fantasievolle Erklärung halte. Spannend wird es allerdings, wenn sie ihren Daddy bittet, mal damit zu wedeln.
    »Oh, was für ein Zufall!« Das Gesicht meines jüngeren Ich verzieht sich zu einem Lächeln. »So heiße ich nämlich auch. Aber meine Freunde nennen mich Lottie.«
    Kein Hinweis darauf, dass sie mich erkennt. Nichts. Es ist, als wäre ich eine Fremde für sie.
    Ich starre sie verwirrt an. Aber wie kann das sein? Es sei denn, das ist ein irrer Traum, und wenn ich mich kneife, wache ich auf und finde Bobby Ewing unter meiner Dusche. Oder so.
    Ich kneife mich. Nein, nichts. Oder sollte ich lieber sagen - immer noch beide da.
    »Tut mir leid, ich kann mir Gesichter einfach nicht merken, besonders wenn ich schon einen Drink intus habe.« Sie  zeigt auf ihr leeres Glas und lacht herzhaft, was mir einen ungehinderten Blick auf ihre Amalgamfüllungen gewährt.
    Gott, die hatte ich ja auch völlig vergessen.Vor fünf Jahren habe ich sie allesamt ersetzen lassen, nachdem ich

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