Heute schon geträumt
hinüber.
»Entschuldigung.« Er sieht auf. »Sind Sie zufällig bei T-Mobile?«
Er sieht mich ausdruckslos an. »Wie?«
»Ich habe gesehen, dass Sie telefoniert haben«, erkläre ich, »aber ich habe seltsamerweise keinen Empfang.«
»Äh … nein, ich bin bei Vodafone, und offenbar ist alles in Ordnung.« Er zuckt die Achseln und legt das Telefon vor sich auf den Tisch. Gott, er muss das Ding seit Jahren haben - es sieht ziemlich antiquiert aus. Aber immerhin sehe ich fünf dicke Balken auf dem Display.Was ich von meinen beiden Exemplaren nicht behaupten kann.
»Das ist ja wirklich seltsam.« Verwirrt sehe ich wieder auf mein BlackBerry. Nichts.
»Was ist denn das?«
Ich wollte gerade meinen bewährten elektronischen Wiederbelebungstrick anwenden, halte jedoch inne.
»Ist das ein Telefon?«, fragt er.
»Oh, Sie meinen das BlackBerry?«
»BlackBerry?«, wiederholt er, als wäre es ein Fremdwort, das er noch nie gehört hat. »So was habe ich ja noch nie gesehen.«
»Ehrlich?« Ich mustere ihn überrascht. Ich dachte, jeder wüsste inzwischen, was ein BlackBerry ist, selbst meine Mutter. Andererseits nennt sie es immer noch »dein Telefondingsbums«.
»Ach, so toll ist das gar nicht«, wiegle ich ab. »Nur praktisch, weil man auch Mails darauf empfangen kann.«
»Mails?«, hakt er nach. »Auf einem Telefon?« Lachend schüttelt er den Kopf. »Klar, sonst noch was. Seit wann soll das denn gehen? Dafür braucht man doch einen Computer.«
Auf einmal überfällt mich wieder dieses seltsame Gefühl.
Okay, dieser Typ versucht eindeutig, mich für blöd zu verkaufen.
Ein Schauder überläuft mich, und trotz der sommerlichen Wärme bekomme ich eine Gänsehaut.
»Oh, tut mir leid.«
Jemand rempelt mich von hinten an, worauf sich prompt der restliche Saft in meinem Glas über meine Bluse ergießt. Oh Scheiße. Ich sehe auf die dicken roten Spritzer hinunter.
»Oh Gott, das tut mir wirklich wahnsinnig leid. Es war ein Versehen.«
Ich ziehe ein Taschentuch hervor und betupfe die Flecken. Verdammt.Weißes Leinen. Die Flecken kriege ich nie wieder heraus.
»Darf ich dir einen frischen Drink ausgeben?«
»Nein, danke.«
In dem Bruchteil der Sekunde, die ich für die Antwort brauche, spüre ich, dass etwas nicht stimmt. Irgendwie kommt mir ihre Stimme bekannt vor. Ich werde stocksteif. Moment mal. Mit hämmerndem Herzen wirble ich herum. Mir stockt der Atem. Denn ich weiß bereits, wer hinter mir steht. Noch bevor ich mich umgedreht habe, weiß ich, wen ich gleich sehen werde.
Denn ich kenne nicht nur diese Stimme.
Unsere Blicke begegnen sich. Und in dieser Sekunde verflüchtigt sich jeder vernünftige Gedanke.
Denn ich bin es selbst.
Kapitel 13
Einen Moment lang passiert gar nichts. Die Zeit bleibt stehen. Als hätte jemand die »Pause«-Taste auf der DVD meines Lebens gedrückt und »So, was sagst du dazu?« gefragt.
Aber mir fällt keine Antwort ein.
In Büchern liest man immer, dass es Leuten die Sprache verschlägt, eine Vorstellung, die ich immer ziemlich spannend, wenn auch nicht besonders realistisch fand. Schließlich ist man doch nie im wortwörtlichen Sinne sprachlos, oder? Irgendetwas fällt einem doch immer ein. Selbst als Colin Pickles mir in der Schule unverblümt »Ich kann dich nicht mehr leiden« ins Gesicht schleuderte, fand ich meine Fassung schnell genug wieder, um mit einem »Und ich kann dich auch nicht mehr leiden, du Blödian« zu kontern, wofür ich vielleicht keinen Schlagfertigkeitspreis bekommen werde, aber immerhin blieb ich keine Erwiderung schuldig.
Ganz im Gegensatz zu jetzt.
Nun bin ich tatsächlich sprachlos. Mir fällt nichts ein, was ich sagen könnte. Absolut nichts. Das hier ist keine Halluzination. Es ist die Realität. Und ich kann nur hier stehen und in entsetztem Schweigen meinem eigenen Ich ins Gesicht sehen. Meinem 21-jährigen Ich. Das leibhaftig vor mir steht.
Heilige Scheiße!
Panik erfasst mich, und meine Gedanken überschlagen sich.
Heilige, verdammte Scheiße!
»Alles in Ordnung?«
Die Stimme mit einem ausgeprägten Yorkshire-Akzent reißt mich aus dem Strudel, der mich zu überwältigen droht. Ich hebe den Kopf und sehe, dass mich mein jüngeres Ich besorgt mustert. Gott, ich habe völlig vergessen, wie penetrant mein Akzent früher war.
»Äh … ja«, stammle ich. »Alles bestens.«
Was eine ziemliche Untertreibung ist, denn wenn es ein Wort gibt, mit dem sich mein Zustand beschreiben lässt, dann wohl kaum »bestens«. Panisch?
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