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Heute schon geträumt

Heute schon geträumt

Titel: Heute schon geträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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fandest«. Deshalb muss ich jetzt ständig so tun, als würde ich sie hören, wenn wir mit meinem Wagen unterwegs sind.
    Ich nehme denselben Weg wie gestern. Zum Glück herrscht kaumVerkehr, so dass ich kurz darauf vor dem Wellington stehe. Als ich den Motor abschalte, höre ich bereits das Wummern.
    Oje. Meine vage Erregung wird von einem Gefühl der Beklommenheit vertrieben, und mit einem Mal sehe ich mich in dem engen, verrauchten Club mit einer Band, die die Lautsprecherboxen beinahe zum Platzen bringt. Vielleicht war die Idee ja doch nicht so gut.Vielleicht habe ich die Songs von Shattered Genius aus gutem Grund vergessen.
    Ich spüre, wie meine Entschlossenheit ins Wanken gerät, und reiße mich zusammen. Jetzt gibt es kein Zurück. Ich bin zu meinem eigenen Wohl hier. Zum Wohle von Lottie, der 21-Jährigen, die ich einmal war. Und die in dieser Sekunde in diesem Pub steht und sich das Herz von diesem Billy Romani brechen lässt.
    Wenn ich sie nicht rette.
    Entschlossen öffne ich die Wagentür. Als ich aussteige, empfängt mich das gedämpfte Hämmern eines Schlagzeugs, gepaart mit einem merkwürdigen Heulen, das nicht menschlich klingt. Okay, das klingt nicht gerade toll, aber schlimmer als Licence to Thrill kann es auch nicht sein, tröste ich mich und steuere im Eiltempo auf den Pub zu. Außerdem war ich mal ein Fan dieser Band, schon vergessen? So sehr kann sich mein Musikgeschmack nicht verändert haben. Also mal im Ernst, wie mies können sie sein?
     Mies.
    Ganz mies.
    Unterirdisch mies.
    Ich öffne die Tür zum Wellington und werde von einem Getöse empfangen, das sich anhört, als würde das gesamte Schlagzeug die Treppe hinuntergeworfen werden, einschließlich Drummer.
    »Gott sei Dank, du hast es noch geschafft!«
    Lottie, die mich unsicher im Türrahmen stehen gesehen hat, kommt auf mich zu. Sie hat ein großes Glas Cider in der Hand und trägt eine PVC-Hose, die ihre Beine aussehen lässt, als hätte sie jemand in eine schwarze Mülltüte vakuumverpackt. Gott, die schon wieder. Ich nehme mir vor, ihr auf meiner »Auf keinen Fall tragen«-Liste einen Platz auf den vorderen Rängen zu geben. Dabei fällt mir auf, dass sie eigentlich eine ziemlich gute Figur hat.
    »Tut mir leid, dass ich so spät komme. Ich war -«
    »Du hast fast den ganzen Auftritt verpasst«, unterbricht sie mich ungeduldig und drückt mir eine Eintrittskarte in die Hand. »Los, komm, beeil dich, gleich spielen sie unplugged.«
    Sie packt mich am Arm, zerrt mich zu dem kleinen Raum im hinteren Teil des Pubs, in dem es so voll ist, dass es nur Stehplätze gibt, und schiebt sich durch die Menge vor die provisorische Bühne. Shattered Genius sind inzwischen verschwunden, und ein Helfer stellt einen Stuhl und ein Mikrofon auf.
    »Du stehst sehr auf die Band, was?« Ich wende mich Lottie zu, die die Bühne keine Sekunde aus den Augen lässt.
    »Na ja, auf den Sänger, Billy Romani«, gibt sie zu und nippt an ihrem Cider.
    Plötzlich tut sich etwas auf der Bühne. »Oh Gott, da kommt er. Da ist er.«
    Meine Brust wird eng, und ich wappne mich innerlich. Mit einer Mischung aus gespannter Erregung und Besorgnis blicke ich zur Bühne. Nach all den Jahren habe ich nur eine vage Erinnerung daran, wie er ausgesehen hat, aber ich muss zugeben, dass die Leidenschaft damals mein Wahrnehmungsvermögen beträchtlich getrübt hat. Außerdem habe ich alles darangesetzt, ihn zu vergessen.
    Im Gewühl vor der Bühne werde ich hinter Lottie gedrängt, aber sie trägt flache Schuhe, deshalb überrage ich sie mit meinen hohen Absätzen um ein paar Zentimeter. Eine ganze Horde Schmetterlinge beginnt in meinem Magen zu flattern. Jede Minute werde ich ihn wiedersehen, und ich habe keine Ahnung, welche Empfindungen sein Anblick in mir auslösen wird.
    Und dann ist er auf einmal da. Ganz in Schwarz und mit seiner Gitarre in der Hand betritt er die Bühne, setzt sich auf den Hocker und hält einen Moment inne, um einen Schluck von seinem Bier zu nehmen.
    Und ich empfinde rein gar nichts.
    Verblüfft starre ich den Typen auf der Bühne an.
    Das ist er? Der Mann, wegen dem ich schlaflose Nächte hatte? Ich hatte damit gerechnet, von einer Woge der Gefühle übermannt zu werden - Verlangen, Traurigkeit, Wut, irgendetwas -, aber da ist nichts. Tote Hose. Ich hatte ihn immer so sexy gefunden, so hip, so … und jetzt?
    »Er trägt eine Lederhose«, zische ich mit einem Anflug von Belustigung. Ihn albern zu finden war so ziemlich das Letzte, womit ich gerechnet

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