Heute schon geträumt
Ich betrachte das Foto. Ich weiß, dass Julian ein attraktiver Mann ist, aber es ist schwer, den Mann der besten Freundin sexy zu finden. Mir gelingt das jedenfalls nicht. Und schon gar nicht, wo ich all seine Gewohnheiten kenne, wie zum Beispiel die Tatsache, dass er sich regelmäßig die Nasenhaare mit einem Trimmer entfernt und die Reste dann im Waschbecken liegen lässt.
»Wenn er Single wäre, meine ich natürlich«, fügt sie eilig hinzu. Offenbar ist ihr gerade ihre Flirtattacke auf Patrick wieder eingefallen. »Ich meine, so würde ich ihn natürlich nie im Leben aufregend finden.« Sie läuft dunkelrot an und macht sich über ihr zweites Küchlein her. »Und? Wohin geht ihr?«
»Wieder in diesen Gastropub, in dem ich mit Miles am Montag schon war.«
»Oh, toll.Was ziehst du an?«
Beatrice’ Interesse an meiner Garderobe erstaunt mich immer wieder. Ihr eigener Kleidungsstil lässt sie offensichtlich völlig kalt, und kürzlich wollte sie wissen, wie denn dieses Mädchen heiße, dessen Fotos überall zu sehen seien.
Sie meinte Kate Moss.
»Mein Chloe-Kleid mit den überschnittenen Ärmeln, das Miles mir zu Weihnachten geschenkt hat.« Na schön, streng genommen ist das nicht ganz die Wahrheit, weil ich einen Geschenkgutschein von House of Fraser bekommen habe, aber da ich in letzter Zeit so selten Zeit habe, einkaufen zu gehen, habe ich mir ein hübsches Kleid von Net-à-Porter gegönnt, das ich übers Internet bestellt habe.Was Miles nie erfahren wird.
Ebenso wenig wie den Preis.
Glauben Sie mir, ich bin längst dazu übergegangen, Miles zu erzählen, die Dinge hätten nur einen Bruchteil ihres tatsächlichen Preises gekostet. Damit erspare ich ihm einen Herzinfarkt und mir einen Vortrag über Sparsamkeit.
»Wo wir gerade dabei sind - auf dem Heimweg muss ich es aus der Reinigung abholen.« In diesem Moment läutet das Telefon. Ich sehe auf die Uhr. Es ist erst neun.
Ich hebe ab und beobachte, wie Beatrice das letzte Küchlein so sehnsuchtsvoll beäugt, dass sie jeden Moment zu sabbern droht. »Bitte, nimm es nur«, sage ich eilig.
»Oh, nein, das geht doch nicht«, protestiert sie. »Aber wenn du natürlich darauf bestehst«, fügt sie nach einer Zehntelsekunde hinzu und versenkt mit einem entzückten Laut die Zähne in der weichen Masse.
In jüngeren Jahren war mein Geburtstag immer eine ganz große Sache. In dem Jahr, als ich nach London gezogen bin - 1997 -, habe ich den ganzen Tag mit Feiern zugebracht:Telefonate mit Freunden und Familie, Geschenke von Kollegen auspacken, Mittagessen mit Wein im Kreis der ganzen Büro-Truppe, dann zurück an den Schreibtisch, wo es noch Kuchen gab, um wieder nüchtern zu werden und sich in die Abendgestaltung werfen zu können. Gott, mein Geburtstag war der blanke Wahnsinn!
Heute dagegen ist es ein Tag wie jeder andere auch.
Nach meiner Konferenzschaltung mit den Leuten von Cloud Nine flitze ich zum Tearoom bei Liberty, wo ich mit Katie Proctor verabredet bin - offiziell geht es darum, unsere Kunden in den Artikeln unterzubringen, die sie für diverse Blätter schreibt, inoffiziell ist es eine perfekte Gelegenheit, um bei einem geeisten Milchkaffee den neuesten Klatsch zu erfahren. Als Nächstes beantworte ich ein paar Mails auf meinem BlackBerry - mein Posteingang scheint auf wundersame Weise immer dann drastisch anzuwachsen, wenn ich nicht im Büro bin -, ehe ich zum nächsten Termin hetze. Es ist mein letzter an diesem Tag, und er dauert lange. Sehr lange.
So lange, dass die Reinigung geschlossen hat.
Eine halbe Stunde später halte ich am Straßenrand an, springe aus dem Wagen und renne über die Straße, doch der Laden ist stockdunkel.
Verdammt!
Was soll ich jetzt machen? Mein Kleid hängt doch dort drin. Gemeinsam mit allen anderen Sachen, die ich vor ein paar Tagen abgegeben habe. Das ist das Problem mit diesen Designersachen - man kann das Zeug nicht einfach in die Waschmaschine stopfen, so wie ich es früher getan habe, sondern muss alles in die Reinigung geben.
Aber natürlich sind sie in puncto Schnitt,Verarbeitung und Stoffqualität besser.
Nicht dass einem das viel nützen würde, wenn man die Sachen in diesem Moment anziehen möchte … Ich gehe zu meinem Wagen zurück. Aber selbst wenn ich etwas zu Hause hätte, das in Frage käme, würde die Zeit ohnehin nicht mehr reichen, sagt mir ein Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Der Tisch ist für acht Uhr reserviert, und wir haben bereits 19:50 Uhr.
Eilig ziehe ich mein
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