Heute schon geträumt
Kosmetiktäschchen heraus, bringe mich mit Lipgloss, einem Rauch Rouge und Wimperntusche auf Vordermann, dann starte ich den Wagen und fädle mich in den Verkehr ein.
»Rot oder weiß?«
Beim Betreten des Pubs werde ich von Vanessa begrüßt, die von ihrem Stuhl aufspringt und die Arme um mich wirft. »Wir konnten uns nicht entscheiden, und da du das Geburtstagskind bist, darfst du aussuchen.«
»Äh …« Ich löse mich aus der Umarmung und rutsche neben Miles, der auf einem Stück Brot herumkaut, jedoch kurz innehält, um mir einen Kuss zu geben.
»Alles Gute zum Geburtstag, Schatz«, sagt er lächelnd, doch dann runzelt er die Stirn. »Ich dachte, du wolltest das Kleid anziehen, das ich dir geschenkt habe.«
»Das ist eine lange Geschichte.« Ich verdrehe die Augen und sehe auf den leeren Platz. »Wo ist Julian?«
»Überstunden«, erklärt Vanessa. Wir tauschen einen Blick. »Er meinte, wir sollen schon mal ohne ihn anfangen, er käme so schnell wie möglich nach.« Sie lächelt, und jeder andere hätte ihr die gute Laune abgekauft, aber ich kenne sie zu gut dafür. Das Lächeln reicht nicht bis zu ihren Augen. »Und, was nehmen wir jetzt?«, wechselt sie das Thema und wendet sich der Weinkarte zu. Im Lauf der Jahre bin ich von Cider über Liebfrauenmilch zu trockenen Weißweinen übergegangen und habe die Erfahrung gemacht, dass man von Weinen unter fünf Pfund die Flasche am nächsten Morgen grauenhafte Kopfschmerzen zu erwarten hat, mehr aber auch nicht. »Wie wär’s mit einem australischen Sauvignon Blanc?«
»Nein, nein, nein.« Miles schnalzt mit der Zunge. Er sieht sich gern in der Rolle des Sommeliers. »Wenn schon Sauvignon Blanc, dann einen Neuseeländer. Region Marlborough.«
»Na gut.« Ich zucke die Achseln.
»Was ist mit einem Merlot?«, schlägt Vanessa vor und zupft ein Stück Brot ab.
»Ein Merlot?« Miles verzieht angewidert das Gesicht.
»Also bitte, wo sind wir hier? Bei Sideways? Und du in der Rolle des Weinexperten, Miles?«Vanessa verdreht die Augen.
»Es spricht nichts dagegen, einen guten Gaumen zu entwickeln«, kontert Miles leicht beleidigt.
»Sie zieht dich doch nur auf«, schalte ich mich ein und streiche ihm über den Arm, während ich Vanessa, die sich hinter einem Stück Brot verschanzt hat, einen warnenden Blick zuwerfe.
Aber ich weiß, dass das nicht stimmt.Vanessa und Miles mochten einander noch nie. Sie sind das menschliche Pendant zu Öl und Wasser.
»Gibt’s noch nichts zu trinken?«
Ich hebe den Kopf und sehe Julian auf uns zukommen - ganz der gut aussehende, erfolgreiche Anwalt in seinem schicken dunkelblauen Anzug und mit der Aktentasche in der Hand.
»Alles Gute zum Geburtstag, Charlotte.« Er beugt sich über den Tisch und gibt mir einen Kuss.
»Wir sind noch dabei, uns zu entscheiden«, gibt Miles ein wenig verkniffen zurück.
»Tja, solange es nur etwas Feuchtes ist.« Grinsend drückt erVanessa mit einem »Hallo, Schatz« einen Kuss auf die Stirn und setzt sich. »Tut mir leid, es war wahnsinnig viel zu tun.«
»Wie immer«, brummt Vanessa, aber falls Julian es mitbekommen hat, lässt er sich zumindest nichts anmerken.
»Wieso lassen wir uns nicht beraten?«, schlage ich vor und sehe mich suchend um.
Der Barkeeper, der gerade andere Gäste bedient hat, wendet sich mir zu. »Ja?«
Oh Gott. Es ist derselbe Typ wie am Montag, stelle ich bestürzt fest. Der, der sich so köstlich über meine Allergien amüsiert hat.
»Wir würden gern einen Wein bestellen«, sagt Julian.
»Welchen hätten Sie denn gern?«
»Ich dachte an einen Pinot«, beginnt Miles, doch Vanessa fällt ihm ins Wort.
»Aber wir können uns nicht einigen«, erklärt sie.
»Tja, ich würde ja den Rioja empfehlen, wenn es ein Roter sein soll, oder aber den Sancerre als Weißen.«
Ich habe mich hinter meiner Speisekarte verkrochen und hoffe, dass er mich nicht wiedererkennt.
»Klingen beide lecker«, erklärt Julian. »Wieso nehmen wir nicht von beiden eine Flasche?«
»Hervorragend.« Der Barkeeper nickt und deutet auf den leeren Brotkorb, der größtenteils auf Vanessas Konto geht. »Noch etwas Brot?«
»Äh, nein, für mich nicht«, murmelt sie. »Charlotte?«
»Charlotte isst nie Brot«, erklärt Miles, bevor ich etwas erwidern kann. »Sie leidet an Weizenintoleranz.«
»Ach ja, jetzt erkenne ich sie wieder. Die Lady mit den Allergien.«
Ich fange den Blick des Barkeepers auf, in dessen Augen ein amüsiertes Funkeln liegt.
»Und, was gibt’s Neues, Miles?«,
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