Heute schon geträumt
Kamera aus der Tasche und schiebt die Leute zusammen.
»Nein, du musst auch drauf sein, Lottie«, ruft jemand.
Sie wendet sich mir zu. »Könntest du das Foto machen, Charlotte?«
»Klar.« Ich nehme die Kamera und blicke durch den Sucher. Auf einmal ist alles da: die Leute, die Klamotten, das Grinsen.
Oh Gott, es ist das Foto, das an meinem Kühlschrank hängt. Das bei meinem Geburtstag aufgenommen wurde.
Von mir?
Ich bin völlig verwirrt. Wie kann das sein? Das ist doch unmöglich. Es sei denn -
»Los, Beeilung«, ruft jemand.
Ich reiße mich zusammen. »Bitte lächeln!«
Alle strahlen in die Kamera, und als ich auf den Auslöser drücke, sehe ich Lottie an, die breit in die Kamera grinst. Der Blitz flammt auf, und schon ist der Moment für die Ewigkeit eingefangen.
Ich biete Lottie an, sie nach Hause zu begleiten, da mein Wagen ohnehin vor ihrer Tür steht. Außerdem ist sie ziemlich hinüber, so dass ich Zweifel habe, ob sie den Weg alleine bewerkstelligen kann.
Untergehakt schlendern wir zu ihrem Haus zurück. Es ist ein herrlich warmer Abend. Oder sollte ich lieber früher Morgen sagen? Alles ist still, was der Atmosphäre etwas Magisches verleiht. So als schlafe die ganze Welt, nur wir nicht.
Vor der Haustür kämpft sie mit den Schlüsseln, und nachdem sie ihr dreimal entglitten sind, übernehme ich das Ruder, schließe die Tür auf und schiebe sie hinein.
»Am besten mache ich dir einen Kaffee, damit du wieder nüchtern wirst«, sage ich, bugsiere sie in die dunkle Küche und setze sie auf einen Stuhl.
Besser gesagt, ich würde sie auf einen Stuhl setzen, stapelte sich nicht irgendwelcher Kram darauf. Schmutzige Geschirrtücher, Zeitungen und, oh Gott, ist das eine Unterhose? Entsetzt weiche ich vor dem Stoffding zurück, bei dem es sich allem Anschein nach um einen G-String handelt. Ob er sauber oder benutzt ist, kann ich in der Dunkelheit nicht erkennen. Und offen gestanden will ich nicht nahe genug herankommen, um es herauszufinden. Mit meiner freien Hand schnappe ich einen Holzkochlöffel und verfrachte das Ding auf einen anderen Stapel, von denen es jede Menge hier gibt. Ich schiebe einen der Wäsche-Maulwurfshügel beiseite und setze Lottie hin.
Gut. Kessel aufsetzen.
Ich knipse die Deckenbeleuchtung an, die in diesem Fall aus einer einzelnen Glühbirne besteht, die den Raum in grelles Hundertwattlicht taucht.
Ich erstarre.
Großer Gott, hier ist eingebrochen worden. Jemand hat das ganze Haus auf den Kopf gestellt.
Panik erfasst mich. Oh Gott, ich muss die Polizei rufen. Sofort. Was, wenn etwas gestohlen wurde? Wenn - lieber Gott, bitte nicht - die Täter noch im Haus sind? Meine Panik schwillt weiter an.Wo ist das Telefon?
Plötzlich fällt mir auf, dass mein jüngeres Ich seelenruhig dasitzt, als wäre alles in bester Ordnung.
Denn es ist alles in bester Ordnung, Charlotte.
In diesem Moment fällt der Groschen. Hier wurde gar nicht eingebrochen, und keiner hat das Haus auf den Kopf gestellt - abgesehen von den Leuten, die hier wohnen. Ich halte inne. Habe ich tatsächlich so gelebt? Meine Hausgenossen und ich waren die letzten Schweine! Nein, sogar die sind reinlicher. Und lassen keine schmutzigen Unterhosen herumliegen. Mein Blick schweift durch den Raum - jeder freie Zentimeter ist von schmutzigen Tassen, halb leer gegessenen Tellern, verschrumpelten Teebeuteln und Schalen mit angetrockneten Müsliresten, die bestenfalls mit Hammer und Meißel entfernt werden könnten, bedeckt - und bleibt am Spülbecken hängen, in dem sich das schmutzige Geschirr stapelt. Und zwar in schwindelerregende Höhen. Und was ist mit dem Abfall? Entsetzt betrachte ich den Plastikmülleimer ohne Deckel mit der schwarzen Tüte darin, aus dem Heinz-Dosen - Bohnen in Sauce, wie es aussieht - quellen.
Und dieser Gestank!
Angewidert wende ich mich ab und greife nach dem Wasserkessel, der eine so dicke Kalkschicht hat, dass ich für den Rest meines Lebens keine Calcium-Tabletten mehr schlucken muss. Ich gebe Wasser hinein (was nicht ganz einfach ist, da ich den einsturzgefährdeten Geschirrberg erst beiseiteschieben muss) und setze ihn auf.
Mein eigenes, tadellos sauberes Apartment kommt mir in den Sinn, und nicht zum ersten Mal bin ich froh, nicht mehr Lottie zu sein.
Ich drehe mich zu ihr um und bemerke, dass sie den Kopf auf die Tischplatte gelegt und die Augen geschlossen hat.
»Kaffee ist gleich fertig«, sage ich und sehe mich in den schmutzigen Geschirrmassen nach einer Tasse um, in der
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