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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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zu meinen von Valerie geborgten Schuhen und Kaufhaus-Klamotten, schnaubte ich stattdessen. »Mit dem Geld, das sie hier verbaut haben, könnte man nicht allzu viele Waisen ernähren, was?«
    Michael legte mir einen Arm um die Schultern. »Wenn du dich dann besser fühlst, können wir in der Bowery essen gehen. Und vielleicht ein paar Penner einladen, das Zimmer mit uns zu teilen.«
    Ich lächelte. »Man muss mit den Wölfen heulen.«
    »Bin ich die Wölfe oder das Hotel?« Er führte mich zum Empfang.
    Michael schien klüger zu sein, als ich ihn ursprünglich eingeschätzt hatte, was mir unangenehm war. Ehe ich mir eine witzige Erwiderung einfallen lassen konnte, standen wir auch schon vor der Rezeptionistin. Ihr Make-up war kunstvoller, als ich es zu den bedeutendsten Anlässen trug.
    »Doktor Epstein, herzlich willkommen.« Sie nickte ihm zu, wieder diese königliche Behandlung im Waldorf. »Zimmer vierhundertfünfundvierzig ist bereit für Sie.«
    Die Kronleuchter blitzten und blinkten.
    Moiréseide bedeckte die Wände im Flur.
    Engel und Putten zierten die Stuckdecken.
    Dann sah ich das Zimmer. Ach, das Zimmer! Ein Bett, größer als mein Wohnzimmer. Mehr Kissen, weichere Kissen, als ich je besessen hatte – Kissen für den Kopf einer Prinzessin. Der Kleiderschrank mit Intarsien – was war das, Gold? – schwang sich mir großzügig entgegen und wartete auf meine Kleider, ganz gleich, wie viele ich ihm anbieten mochte.
    Nachdem der Page mit einem Schein in der Hand wieder gegangen war, umarmte Michael mich auf altmodische, filmreife Art. Ich rechnete jeden Moment damit, einen Regisseur »Cut!« rufen zu hören.
    »Was möchtest du zuerst? Drinks? Etwas zu essen? Shoppen gehen?«, raunte er mir ins Ohr und schmiegte die Wange an meinen Kopf.
    »Alles davon, aber zuallererst den Drink. Definitiv einen Drink.« Es war mir egal, dass erst Nachmittag war. Trotz der opulenten Umgebung war New York für mich die Gefängnisstadt. Die scharfen Kanten ein wenig verschwimmen zu lassen, stand deshalb ganz oben auf meiner Liste.
    Als wir aus der Bar zurückkehrten, hing ein angenehmer Nebelschleier vor der Wirklichkeit. Ich stellte mich unter die Dusche und verliebte mich auf der Stelle in die cremeweißen Fliesen, die silbernen Armaturen und den dicken, flauschigen Bademantel, der nur auf mich wartete. Ich verliebte mich auch in die Schickimicki- Toilettenartikel, wie Oma Zelda gesagt hätte. In einem solchen Bad konnte man sein ganzes Leben abwaschen.
    Michael trat hinter mich, als ich gerade das Gesicht in den dampfenden Brausestrahl hielt. »Darf ich?«
    Ich lehnte mich zurück, und sein Brusthaar kitzelte mich im Rücken. »Aber ja.«
    »Darf ich dir auch die Haare waschen?«
    »Ja, gerne. Danke schön.«
    Ich schloss die Augen und spürte, wie er das Shampoo einmassierte. Süßer Mandelduft stieg um uns auf. Seine Finger gruben sich fester in meine Kopfhaut.
    »Ruiniere ich deine Frisur?«, fragte er. »Ist das zu fest?«
    »Die erholt sich schon wieder. Nur weiter.«
    Die Geister riefen nach mir, als ich am nächsten Nachmittag an Bord der Staten Island Ferry ging. Ich war schon seit Jahren nicht mehr mit diesem Schiff gefahren, aber ohne Auto blieben mir nur Fähren und Taxen. Michael war den Vormittag über mit dem Kongress beschäftigt. Ich hatte ihm erzählt, ich wolle Geschenke für Lulus Töchter besorgen, was mich an früher erinnerte, als ich meinen Schulfreundinnen Lügen für die Samstage erzählt hatte, an denen Doktor Cohen mich zu Daddy brachte.
    Als ich die Freiheitsstatue erblickte, durchfuhr mich eine bittere Sehnsucht nach Oma. Ich betrachtete das Loch in der Skyline, wo das World Trade Center gewesen war, und tippte mir so oft auf die Brust, dass ich schon fürchtete, meine Mitreisenden könnten glauben, ich hätte einen Herzinfarkt. Dinge verschwinden, und man fragt sich, ob es sie überhaupt je gegeben hat.
    Als das Taxi mich vor dem Stacheldrahtzaun des Richmond-Gefängnisses absetzte, fühlte ich mich total ausgelaugt. Officer McNulty war in Rente gegangen, und ich vermisste ihn viel mehr, als die Tochter eines Häftlings einen Wärter vermissen sollte. Susannah und Coriander waren längst nicht mehr da, und die dicke Annette besuchte ihren Pete auch nicht mehr. Mein Vater hatte mir erzählt, Annette hätte fünfzig Kilo abgenommen.
    Fünfzig Kilo, ist das zu fassen? Das ist, als würde man dich einmal ganz verschwinden lassen! Danach hatte Annette sich von Pete scheiden lassen. Jetzt hatte Pete

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