Heute Und in Ewigkeit
müssen uns unterhalten.« Ich winkte ab und hielt mir das Ohr zu, das nicht am Telefon klebte.
»Es ist wirklich wichtig«, beharrte er.
Ich verabschiedete mich von Sophie, legte auf und schob die Beine unter der noch schlafwarmen Bettdecke hervor. »Du kommst mir vor wie eines der Kinder, wenn du mich so unterbrichst.«
»Habe ich dich bei irgendeinem heiligen Arztgespräch gestört?«
»Sei nicht so sarkastisch. Sophie hat mir schlechte Neuigkeiten durchgegeben. Ich muss früher in die Klinik, als ich dachte.« Drews Auftreten hätte mir eine Warnung sein müssen, dass Ärger ins Haus stand, aber ich war so mit den Testergebnissen beschäftigt, die Sophie mir gerade mitgeteilt hatte, dass ich in Gedanken voll und ganz bei meiner Patientin war. Die Untersuchungen hatten furchtbare Ergebnisse für Audra Connelly gebracht, und sie war eine meiner liebsten Patientinnen.
Die arme Audra. Erst hatte sich ihr Ekzem als Paget-Karzinom entpuppt. Dann war als Ursache Brustkrebs festgestellt worden, wie bei den meisten Paget-Patientinnen. Inzwischen hatte sich der Krebs auf ihre Lymphknoten ausgebreitet. Sophie sagte, Audra wolle, müsse unbedingt mit mir sprechen. Audra vertraute zwar Doktor Denton, was das Medizinische anging, aber er schüchterte sie ein. Ärzte wie Denton, völlig in ihren Statistiken und Befunden gefangen, waren nicht in der Lage, auf die emotionalen Bedürfnisse einer älteren Frau einzugehen.
Ich holte Unterwäsche aus meiner Schublade und drehte mein nasses Haar zu einem Knoten zusammen.
»Lulu, warte.« Drew packte mich und holte mich von meinen säuberlich geordneten Reihen beigefarbener und schwarzer BH s weg.
»Ich muss los.« Ich versuchte, mich ihm zu entwinden, doch er wirbelte mich herum.
»Jetzt hör doch mal zu«, herrschte er mich an. Ich zog die Schultern hoch und erstarrte zu Eis. Drew wusste, wie sehr ich jede Zurschaustellung von Wut verabscheute. Eine der Eigenschaften, die ich an ihm liebte, war seine ungewöhnlich lange Lunte. »Wir müssen dringend mit Cassandras Klassenlehrerin sprechen.«
»Was ist denn los?« Ich drückte mir die Unterwäsche an die Brust.
»Sie macht gerade wieder so eine Angstphase durch. Ich weiß, das ist in ihrem Alter ganz normal. Die Lehrerin weiß das natürlich auch, aber anscheinend ist Cassandra richtig abgestürzt. Ich wollte schon gestern Abend mit dir darüber reden, doch du warst schon eingeschlafen, als ich reinkam.«
»Ich war fix und fertig.« Ich grub die Finger in die Oberarme, und meine kurzen Fingernägel hinterließen kleine Cs in der Haut. »Was ist passiert, was tut Cassandra denn diesmal?«
»Sie erzählt den anderen Kindern, sie könnten adoptiert sein, ohne es zu wissen, oder sie müssten gut aufpassen, damit sie nicht entführt werden. Oder dass jemand sie verfolgen könnte.« Drew nahm seine Brille ab und rieb sich den Nasenrücken. »Eine Mutter hat schließlich in der Schule angerufen, weil Cassandra ihrer Tochter ständig etwas von Kidnappern erzählt hat, die Kinder ermorden.«
»O Gott.« Ich sank aufs Bett. »Glaubst du, meine Schwester hat den Mädchen irgendetwas gesagt? Sie führt sich auf wie eine Irre, seit sie aus New York zurück ist.«
»Es geht hier nicht um Merry.« Drew setzte sich neben mich. »Ich glaube, Kinder nehmen Dinge per Osmose auf.«
Osmose. Ich dachte daran, dass Mama ständig vergessen hatte, Essen zu kaufen, und unsere Ernährung Harry's Coffee Shop oder tiefgekühlten Hühnchen-Teigtaschen überlassen geblieben war. Mit acht Jahren konnte ich die Dinger schon selbst in den Ofen stecken. Ich wusste, dass Mama unglücklich gewesen war, unzufrieden mit uns, mit Dad, mit unserem Leben. Sie hatte gar nichts zu sagen brauchen. Die Tiefkühl-Teigtaschen hatten für sie gesprochen.
Aber wir hatten bei ihr ein gutes Leben gehabt.
Drew und ich saßen einen Moment lang dümmlich nebeneinander und starrten auf die Fotos von unserer Hochzeitsreise, auf denen milchige Eisberge in weiß-blauen Eislagunen trieben.
»Ich wette, Merry hat ihr irgendetwas gesagt«, erklärte ich. »Da bin ich mir sicher. Ich bringe sie um.«
»Das hat nichts mit Merry zu tun«, wiederholte Drew. »So etwas würde sie nie tun. Nicht ohne deine Erlaubnis.«
Ich lachte. »Meine Erlaubnis? Merry hält doch alles für gemeinschaftliches Eigentum. Es überrascht mich, dass sie dich noch nicht zu ihrem Ehemann gemacht hat. Und uns alle zu Mormonen.«
»Herrgott, Lulu, sie liebt die Mädchen«, beharrte Drew, ohne auf
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