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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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Scheiben herabfloss.
    »Vielleicht ist es das, was der Tod hoffentlich bringt – dass er alle Teile sämtlicher Puzzles zusammensetzt. Vielleicht sind diese Dinge dazu gedacht, uns zu prüfen. Die Spreu vom Weizen zu trennen.«
    »Aber warum?«
    »Wissen Sie, was ich gerade gelernt habe?«, entgegnete Audra. »Das Sterben ist leichter, als mit ansehen zu müssen, wie Ihre Kinder Schmerzen leiden.« Sie wandte den Blick von dem hypnotischen Schneefall ab und sah mich an. Dann legte sie mir einen dünnen Finger an die Stirn und strich ein paar verirrte feuchte Haare beiseite. »Wenn wir das Triviale als unwichtig erkennen, können wir uns vielleicht darauf konzentrieren, was wir am meisten lieben, was uns am wertvollsten ist.«
    Staten Island kam mir so gewöhnlich vor. Vermutlich hatte ich erwartet, dass Feuer und Schwefel den Weg zum Richmond-Gefängnis säumten.
    Drew lenkte den Wagen eine Straße entlang, die stattdessen mit Autowerkstätten, billigen Klamottenläden und Tankstellen gesäumt war. Ich versuchte mir vorzustellen, wie Merry diesen Weg als Kind zurückgelegt hatte, als junges Mädchen, als Frau.
    Merry hatte unseren Vater nicht mehr besucht, seit er ihr in dem Brief seine Entlassung angekündigt hatte. Trotz seiner flehentlichen Weihnachtskarte war sie hart geblieben. Meine Schwester war nicht bereit, ihn zu besuchen, und konnte auch nicht sagen, wann sie ihn überhaupt je wiedersehen wollte. Nie, hoffte ich. Nachdem sie ein Leben lang ihre Wut begraben hatte, um unserem Vater zu dienen, hatte der Anblick des Brieföffners an Rubys Hals seine Macht über Merry gebrochen. Dieses Erlebnis hatte sie aus seinem Griff befreit, und zwar so weit, dass sie ihm nicht einmal schreiben wollte, um ihm zu erklären, warum sie ihn nicht mehr besuchen kam.
    Bei mir hatte der Anblick dieses Brieföffners bewirkt, dass ich unseren Vater unbedingt sehen musste.
    Hier war ich nun.
    Drew stellte den Wagen auf einem Parkplatz neben dem Gefängnis ab. Die schwarzen Drahtzäune überall um uns herum wurden anscheinend nur von Tetanus und Rost zusammengehalten. Unser schlichter Wagen glänzte zwischen all den geschmacklosen alten Kisten, die den Parkplatz füllten.
    »Soll ich wirklich nicht mit reinkommen?« Drew stellte den Motor ab.
    »Ich muss das allein machen.«
    Er drückte mein Knie. »Dafür gibt es keine Medaille. Wir sind ein Team, Lulu.«
    Ich verschränkte die Finger, um meine zitternden Hände zu beruhigen, und drückte sie mir an die Lippen. Der Lavendelduft meiner Handcreme konnte den bitteren Geruch des Grauens nicht überdecken. Der arme Drew hatte auf dem Weg nach Staten Island an jedem McDonald's und Burger King gehalten, weil ich ständig auf die Toilette musste und gleich noch ein schales Ginger Ale brauchte, um meinen rebellierenden Magen zu beruhigen.
    »Wenn ich mich dieser Sache nicht allein stelle, werde ich nicht tief genug vordringen. Ich bin nicht sicher, was ich zu ihm sagen werde, aber wenn du da drin bei mir wärst, wäre es am Ende vielleicht einfacher, die richtig schwierigen Sachen dir zu überlassen.«
    »Wäre das denn so schlimm?« Drew legte mir eine Hand auf die Schulter. Ihr Gewicht zog an mir wie das Versprechen auf Erlösung. »Du hast die Last mit deinem Vater dein ganzes Leben lang allein getragen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht mal genau, warum ich hier bin.« Ich hatte mir eingeredet, dass ich diesen Besuch für Merry plante, um all die Jahre wiedergutzumachen, in denen ich nur Barrieren gebaut und sie allein gegen Mauern hatte anrennen lassen.
    »Um dich den Geistern deiner Vergangenheit zu stellen?«
    »Keine Ahnung.« Ich rieb an der Kante meiner abgegriffenen Lederhandtasche. Dann wischte ich mir die schweißfeuchten Hände an meiner schlichten schwarzen Hose ab. Schwarze Winterstiefel erstickten meine Füße in dem warmen Auto. Ich hatte einen schlichten grauen Pulli an. Beinahe wie Trauerkleidung. Was trug man denn zu einem Treffen mit dem eigenen Vater, der vor fast zweiunddreißig Jahren die eigene Mutter ermordet hatte?
    Worüber unterhielt man sich?
    Ich hatte Merry danach gefragt.
    Alles und nichts. Wir haben über meinen Job geredet. Ruby und Cassandra. Über dich.
    Mir wurde eiskalt bei dem Gedanken, dass sie meine Mädchen in dieses Gefängnis getragen hatte. Mich hineingetragen hatte.
    »Sprich mit mir, Lulu. Lass mich dir helfen.« Drew legte mir eine warme Hand aufs Bein.
    Ich lockerte meine eiserne Selbstbeherrschung. »Du hilfst mir jeden

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