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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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Sonnenlicht fiel auf die Rücken ihrer Jeanshemden. Wir setzten uns so weit wie möglich weg von den anderen und taten so, als wären wir überall, nur nicht hier.
    Mein Vater saß ganz am Ende des Raums an seinem gewohnten Platz. Ich erinnerte mich kaum noch an Daddy vor dem Gefängnis, den Daddy, der bei uns gewohnt hatte, und den Daddy, den Mama rausgeworfen hatte. Dieser Daddy war aufgedunsen gewesen, er hatte schmutzige Fingernägel gehabt und strähniges Haar, das ihm in die Augen fiel. Der Gefängnis-Daddy hatte Muskeln und einen Bürstenschnitt und sah so gut aus wie auf den Fotos von damals, als er Mama geheiratet hatte. Die Bilder standen auf Omas Kommode. Ich hatte versucht, sie Lulu zu zeigen, aber sie hatte die Fotos weggeschoben wie alles andere von Daddy.
    Ich betrachtete sie jedes Mal, wenn ich Oma besuchte, und strich über Mamas wunderschönes Gesicht, um das der Schleier schwebte wie eine magische Wolke. Auf dem Schwarz-Weiß-Foto sah Mamas Lippenstift so dunkel aus wie Blut.
    Etwas flatterte in meinem Magen, als ich Daddy sah, dann breitete sich hungrige Leere darin aus.
    »Mein kleines Mädchen!«, rief er. Wir umarmten uns kurz, wie die Wärter es erlaubten, und ich wich zurück, sobald wir uns berührten. Ich hasste es, wenn Daddy mich auch nur eine Sekunde länger festhielt, als die Regeln es erlaubten, denn ich war sicher, dass ein Wärter mich oder, schlimmer noch, Daddy dann anschreien würde. Ich hatte gesehen, wie sie einen Gefangenen hinausgeschleift hatten, weil er seine Frau angebrüllt hatte, die so dick war, dass ihr der Bauch über die Hose quoll. Alles an dem Mann wirkte verschrumpelt, aber seine dicke Frau wich ängstlich vor ihm zurück, als sei er ein Bodybuilder. Der Wärter kam mit seinem schweren braunen Stock und schlug ihm den einfach quer über die Schultern, ehe er ihn wegschleifte.
    »Ach, du meine Güte, schau«, hatte Oma gesagt. »Hat der ihm einfach auf den Rücken gedroschen!« Ich traute mich nicht zu fragen, ob Daddy auch manchmal gedroschen wurde, aber seitdem hatte ich oft an diesen braunen Stock gedacht.
    Daddy inspizierte mich genau, wie bei jedem Besuch. »Wie bist du in den zwei Wochen nur so gewachsen?«
    »Bestimmt nicht von dem Mist, den sie ihr da zu essen geben«, bemerkte Oma.
    »Wenigstens bekommt sie einmal die Woche bei dir eine anständige Mahlzeit, was, Ma?«
    »Ach was.« Oma winkte verächtlich ab. »Ich kann ja kaum mehr die Töpfe erkennen, vom Kochen ganz zu schweigen.«
    Ich rückte näher an Oma heran und legte meine Hand auf ihre. Die Haut fühlte sich an wie Papier, das man lange aufgehoben hat, Papier, das man immer wieder zusammen- und auseinandergefaltet hat, bis es ganz schlapp ist und sich mehr wie Stoff anfasst. Daddys erste Briefe waren inzwischen so, jedenfalls diejenigen, die ich bei Oma zu Hause aufhob.
    »Und, was macht die Schule?«, fragte er.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Geht so.«
    Er verzog das Gesicht. »Nur geht so? Ärgert dich vielleicht jemand?«
    »Nein. Alles in Ordnung.«
    »Ich will ein paar gute Noten auf deinem Zeugnis sehen, kleines Fräulein. Noten, mit denen man aufs College kommt. Du willst doch nicht enden wie dein Vater, oder?«
    Ich starrte ihn über den Tisch hinweg verwundert an. Das College hätte ihn aus dem Gefängnis herausgehalten? Wusste er vielleicht etwas über mich? Ahnte er, dass ich Leute manchmal so sehr hasste, dass es brannte? Reetha zum Beispiel. Woher sollte ich wissen, dass ich nicht später mal jemanden umbringen würde? Vielleicht hatte Tante Cilla ja recht: Es könnte doch in meinem Blut liegen. Wahrscheinlich wollte sie uns deshalb nicht in ihrem Haus haben. Vielleicht würde ich eines Tages auch ins Gefängnis kommen.
    »Sei nicht albern, Joey.« Oma schüttelte den Kopf. »Du hörst dich an wie ein Irrer, wenn du so redest.«
    Oma konnte es nicht ausstehen, wenn mein Vater darüber sprach, warum sie ihn eingesperrt hatten. Sie wollte auch mit mir nicht darüber sprechen. Niemand wollte das, außer Lulu, und die redete immer nur davon, wie sehr sie Daddy hasste und dass es blöd von mir war, ihn zu besuchen.
    »Was erwartest du von mir, Ma?«, fragte Daddy. »Was glaubst du, wie viele faszinierende Gesprächsthemen mir hier drin einfallen? Soll ich euch lieber erzählen, wie die Black-Power-Typen die Wärter umbringen wollen?«
    »Psst«, zischte Oma. »Die könnten dich hören.«
    Ich blickte mich um, ob jemand etwas mitbekommen hatte.
    »Soll ich vielleicht darüber reden,

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