Heute Und in Ewigkeit
lächelte mir zu, wie er es immer tat, wenn er einem die Tür aufhielt. Auf den letzten paar Schritten, ehe ich vor unserem Haus abbog, dachte ich meistens schon an Dominic. Dass ich lächeln musste, damit er mich ja nicht für verzogen oder arrogant hielt oder so. Ich fand es grässlich, einen Portier zu haben.
Nachdem ich ihn angegrinst und mich bedankt hatte, rannte ich zum Aufzug, der gerade offen stand, und drückte auf den Knopf für den fünften Stock. Ich steckte meinen Schlüssel ins Schloss und hoffte, dass niemand zu Hause war. Wenn ich allein war, konnte ich herumschnüffeln und brauchte mir keine Sorgen zu machen, ob ich gerade brav war oder böse.
»Merry?« Mrs. Cohen kam aus der Küche und wischte sich die Hand an einem blau karierten Geschirrtuch ab. »Rate mal, wer da ist!«
Ich versuchte, mir meine Gefühle nicht anmerken zu lassen. »Eleanor?«, fragte ich. Mrs. Cohens Tochter benahm sich jedes Mal, als würde irgendetwas stinken, wenn sie mich sah. Mrs. Cohens Sohn tat wenigstens nur so, als sei ich gar nicht da.
»Komm, setz dich zu uns. Es gibt Brownies und Eis.«
Ich legte meine Schultasche im Foyer ab und schlurfte in die Küche. »Hallo«, sagte ich zu Eleanor und bemühte mich, nicht enttäuscht zu klingen.
Eleanor nickte und versuchte, sich von ihrer fünf Jahre alten Tochter Rachel zu befreien, die an ihrem langen Rock zog. Hässlich, wie alle ihre Kleider. Ihr Rock sah aus wie ein Jutesack, und ihre Samtbluse hatte steife Flecken, wo die Muttermilch ausgelaufen war. Mit einem Tuch, das am Hinterkopf verknotet war, hatte sie ihr krauses blondes Haar zurückgebunden. Lulu sagte, dass Eleanor sich anzog, als hielte sie sich immer noch für einen Teenager-Hippie. Ich hatte gehört, wie Doktor Cohen seine Frau gefragt hatte, warum Eleanor sich wie eine Bäuerin kleiden müsse. Ihr Bruder Saul machte genau das Gegenteil, bei ihm saß alles perfekt. Er war Chirurg, wie Doktor Cohen, und er sorgte dafür, dass sein Leben ganz sauber und genau war.
»Mom, bitte, kannst du sie nehmen, während ich das Baby stille?« Eleanor schob Rachel mit dem Knie auf Mrs. Cohen zu.
»Merry, wie wäre es, wenn du Rachel hältst?« Mrs. Cohen schenkte Rachel ihr nervöses Strahle-Lächeln. »Möchtest du, dass deine Cousine Merry dir etwas vorliest, Schätzchen?«
Rachel rannte zu den Büchern und dem Spielzeug, die Mrs. Cohen in einem Weidenkorb aufbewahrte. Eleanor verdrehte die Augen, während ich mir mit dem Daumen die Unterlippe rieb.
»Bring sie nicht so durcheinander«, sagte Eleanor. »Wenn du jeden als ihre Cousine bezeichnest, weiß Rachel nachher gar nicht, was das Wort bedeutet.«
Mrs. Cohen sah erst Eleanor, dann mich entschuldigend an. »Wohl kaum jeden.« Sie drückte meine Schulter und reichte mir ein Schälchen Eis mit einem dicken Brownie voller Walnüsse obendrauf, den ich sofort wieder erbrechen würde, falls ich versuchte, ihn an dem Kloß in meiner Kehle vorbeizuzwingen.
»Lies das.« Rachel ließ mir ein Kinderbuch über Tiere in den
Schoß fallen. Ich nahm das Buch und trug Rachel ins Wohnzimmer, ehe Mrs. Cohen oder Eleanor noch ein Wort sagen konnten.
»Das ist der kleine Tiger. Er lebt im Dschungel«, las ich vor. Rachel kuschelte sich an mich und schob einen Daumen in ihren Rosenknospen-Mund.
Gegenüber vom Sofa stand der schimmernde Stutzflügel der Cohens, der für mich gar nicht gestutzt aussah, sondern riesig. Da heute Montag war, der Tag, an dem die Putzfrau kam, glänzte der schwarze Deckel. Fotos und Fotos und noch mehr Fotos standen darauf und zeichneten in vergoldeten Rahmen das Leben der Cohens nach.
Ein einsames Foto von Lulu und mir stand ganz am Rand. Es war bei Verwandten von Doktor Cohen aufgenommen worden, die in Long Island wohnten. Wir lächelten beide halb mit geschlossenem Mund. Ich hatte mich den ganzen Tag über an Lulu geklammert. Niemand hatte mit uns gesprochen, außer um zu bemerken, wie hübsch ich war – Schaut euch nur diese Locken an, und die Grübchen! Lulu dagegen hatten sie völlig ignoriert, als wäre sie nur mein Kindermädchen.
»Da ist es immer warm und feucht.«
Als wir zu den Cohens gezogen waren, hatte ich ohne Lulu nirgendwo sein wollen. Ich hatte sogar vor der Toilette auf sie gewartet. Die Wohnung der Cohens war mir riesig erschienen, obwohl ich hier schon zu Besuch gewesen war. Die Vorstellung, in einem Haushalt mit einem Mann zu leben, erschien mir unglaublich seltsam. Mein Atem war ganz gehetzt gewesen, während Lulu und
Weitere Kostenlose Bücher