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Heute Und in Ewigkeit

Titel: Heute Und in Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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herumzukritisieren?«
    »Wann hörst du auf, zu mir gelaufen zu kommen, damit ich dich rette?« Ich griff unter dem Tisch nach der alten Wildledertasche, die ich trug, seit Anne sie mir zu meinem achtzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Anne hatte gesagt, der Farbton von Zartbitterschokolade passe genau zu meinen Augen. Ich wusste noch, wie mich dieser poetische Vergleich überrascht hatte und dass sie meine Augenfarbe so genau kannte.
    Das vertraute Gefühl, nicht nett genug zu Anne gewesen zu sein, breitete sich in mir aus. Sie hatte sich so sehr bemüht, und ich war ein kleines Miststück gewesen. Ich stupste den Gedanken an und wackelte an dem Schmerz herum wie an einem wehen Zahn. Merry starrte auf ihre Hände hinab, als warte sie auf weitere Kritik. Stattdessen holte ich den Geldbeutel aus der Tasche und nahm fünf Zwanziger heraus, frisch von der Bank.
    »Nimm es«, sagte ich, als sie nicht nach den Scheinen in meiner Hand griff. »Ich gebe dir hundert.«
    »Ich habe dich nur um fünfzig gebeten.« Merry nippte an dem dampfenden schwarzen Kaffee, den der Kellner ihr hingestellt hatte, rasch und mit einem Lächeln, ganz anders, als er vorhin mein Sandwich und meinen halb abgekühlten Kaffee gebracht hatte. Meine Schwester brauchte einen Mann nur anzuschauen, und sofort regnete Versorgung auf sie herab.
    Ich legte die Scheine auf die raue Tischplatte und schob sie ihr zu. Das alte Ehepaar am Nachbarstisch spähte herüber. »Nimm es«, wiederholte ich. »Ich kann die Vorstellung nicht ertragen, dass du ohne Geld herumläufst.«
    »Keine Sorge. Wenn ich im Mai meinen Abschluss habe, brauchst du dir überhaupt nie wieder Sorgen um mich zu machen.«
    Ich nahm die Hand meiner Schwester und faltete die Scheine hinein. Fühlte mich schuldig. Als ich meinen College-Abschluss gemacht hatte, hatten die Cohens mir eine Rundreise durch Italien, Frankreich und auf die griechischen Inseln geschenkt. Obwohl ich mich über den Reiseführer und meine Mitreisenden lustig gemacht hatte, eine Jugendgruppe irgendeiner Synagoge aus der Upper West Side, hatte ich damals zum ersten Mal in meinem Leben nur im Hier und Jetzt gelebt. Niemand kannte mich. Ich konnte sein, wer ich wollte. Deshalb war ich danach auch wohl endlich keine Jungfrau mehr – ein Zustand, den ich wie ein großes J auf der Stirn getragen hatte.
    David Stern, einer der Gruppenleiter des Tempels, sah mit seinem üppigen, dunklen Haar und dem breiten, offenen Lächeln aus wie der klassische Bar-Mizwa-Beau, obwohl schon zehn Jahre vergangen waren, seit er vor der Bima – dem Gebetsaltar der Synagoge – gestanden und die Haftara gelesen hatte. Obwohl wir alle während der gesamten Reise aus Rucksäcken lebten, wirkten seine blauen Hemden und hellbraunen Hosen immer wie frisch gebügelt. Er hielt uns die Türen auf und vergewisserte sich nach jedem Halt, dass wir alle in den Bus zurückgekehrt waren, ehe wir weiterfuhren.
    Als Mindy Grossman Absinth trank und sich übergab, brachte David ihr Kamillentee und französische Cracker gegen den Kater. Wie ich würde auch er bald mit dem Medizinstudium beginnen. Im Gegensatz zu mir hatten Davids Eltern ihn sauber und vergöttert großgezogen, in Liebe und hohe Erwartungen gehüllt.
    Als David und ich zum ersten Mal miteinander schliefen, baumelte ein goldener Davidsstern von seinem Hals. Er schwang über mir vor und zurück, und ich konnte an nichts anderes mehr denken als an Grabsteine, die enthüllt wurden – den meiner Mutter, den meiner Großmutter. Ich wünschte, er würde den Stern abnehmen, aber ich wusste nicht, wie ich ihn darum bitten sollte. Wir trennten uns, und Mindy Grossman kam die gesamten griechischen Inseln über in den Genuss seiner energischen Sexualität.
    David war ein großartiges Geschenk zum College-Abschluss gewesen. Was würde meine Schwester bekommen? Doktor Cohen hielt kaum noch Kontakt zu uns, seit Merry aufs College ging, außer dass er die Gebühren dafür bezahlte. Der letzte Anschein einer vorgeblich familiären Beziehung zu den Cohens war verblasst, seit Doktor Cohen eine Freundin gefunden hatte. Merrys Geschenk würde von mir kommen, und sie würde keine Rundreise durch Europa machen. Wenn wir Glück hatten, würde ich ihr eine billige Uhr kaufen können.
    Merry schob das Geld über den Tisch zurück. »Du kannst es dir nicht leisten, mir so viel zu geben, außerdem habe ich es gar nicht verdient. Ich bin ein verzogenes Gör. Ich komme zu spät, ich bin unhöflich, ich rauche und trinke.«

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