Heute verführe ich den Boss
Frau!“, sagte ihre Freundin, während sie Jenny das Kleid entgegenhielt und ihr aufmunternd zunickte.
Jenny holte tief Luft, stand auf und nahm Emily das Kleid aus der Hand. „Ich muss verrückt sein, dass ich das tue.“
„Vorher springst du aber noch unter die Dusche“, sagte Emily streng und nahm ihr das Kleid wieder ab. „Und rasier dir die Beine. Wir haben genau vier Stunden, um dich herauszuputzen.“
„Aber ich werde nicht …“
Emily schob sie sanft in Richtung Badezimmer. „Oh doch, du wirst .“
Nachdem Emily Jenny das Haar hochgesteckt, ihr Make-up aufgetragen, ins Kleid geholfen und zu guter Letzt den Schmuck angelegt hatte, war Jenny völlig mit den Nerven fertig. Denn Emily hatte ihr verboten, in den Spiegel zu sehen, bis ihr Werk vollbracht sein würde. Nun machte Jenny vorsichtig ein paar Schritte im Schlafzimmer, bemüht, in den hochhackigen Schuhen nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Der Stoff des extravaganten Kleides raschelte leise bei jeder Bewegung. Ihr Gesicht war perfekt geschminkt, außerdem war sie in eine Duftwolke von Emilys exklusivstem Parfum gehüllt.
Emily warf ihr einen letzten prüfenden Blick zu. „Bereit?“
„Seit über drei Stunden.“
Emily grinste übers ganze Gesicht. „Du siehst sagenhaft aus.“
„In diesen Schuhen werde ich mir den Hals brechen.“
„Nein, wirst du nicht.“
„Außerdem hasse ich Kontaktlinsen.“
„Reiß dich zusammen, schließlich geht es um die gute Sache.“
„Das schwarze Kleid wäre völlig okay gewesen.“
„Das schwarze Kleid würde dein Leben aber nicht radikal verändern.“
Jenny sah ihre Freundin verständnislos an. Dieser Abend war kein Abend der radikalen Veränderungen. Für niemanden. Mitch würde ganz bestimmt nicht quer durch den Saal des Texas Cattleman’s Club auf sie zulaufen und sie in seine Arme schließen, weil er endlich, endlich die wahre Jenny in ihr erkannt hatte.
Niemals würde das geschehen.
Wie deprimierend.
Zumindest musste sie sich nach diesem Abend nie wieder etwas vormachen.
„Los geht’s“, sagte Emily und schloss die Tür ihres begehbaren Kleiderschranks, dessen vordere Front verspiegelt war.
Jenny sah in den Spiegel und blinzelte fassungslos.
Die Frau, die sie anstarrte, sah aus wie eine Fremde.
„Oje“, stieß sie fassungslos hervor.
„Hm?“
„Das bin nicht ich.“
Emily lachte. „ Und ob du das bist.“
Skeptisch begutachtete Jenny sich von allen Seiten. Die High Heels ließen ihre Beine, die noch vom sommerlichen Schwimmen im See gebräunt waren, endlos lang erscheinen. Überhaupt wirkte alles an ihr viel anmutiger: der Hals, die Arme, der Rücken. Aus ihrem vollen blonden Haar hatte Emily eine elegante Hochsteckfrisur gezaubert, zu der Emilys Ohrringe hervorragend passten. Die Steine der Halskette funkelten, während Jenny nervös mit den verlängerten Wimpern über ihren grünen Augen klimperte.
Der Ausschnitt des Kleides konnte ihr Dekolleté gar nicht besser betonen, und die freie Schulter wirkte geradezu verrucht sinnlich. Aus irgendwelchen Gründen schien ihre Taille schmaler geworden zu sein. Vielleicht lag es an dem schwingenden Rock. Oder daran, wie das enge Oberteil ihre Brüste zur Geltung brachte.
Vor lauter Nervosität bildete sich ein winziger Schweißtropfen über ihrer Augenbraue. „So kann ich unmöglich los.“
„Was denn? Angst, einen Verkehrsstau zu verursachen?“
„Angst, etwas zu aufgedonnert zu sein.“
„Großer Gott, du siehst aus wie ein Filmstar, nicht wie ein Flittchen.“
„So fühl ich mich aber.“
„Wie, bitte schön, fühlt sich denn ein Flittchen?“ Emily nahm eine mit Glitzersteinen verzierte Abendtasche aus der Kommode und schnappte sich Jennys Handtasche, die auf der Sitzbank unter dem Fenster lag.
„Das ist nicht komisch.“ Panik stieg in Jenny auf.
Auch wenn das Ergebnis ihrer Rundumerneuerung perfekt war, konnte sie Emilys Wohnung in diesem Aufzug nicht verlassen. Noch Monate später würde ganz Royal über sie herziehen.
Wieso hatte sie sich nur darauf eingelassen?
Sie schluckte. „Wir müssen das alles wieder rückgängig machen.“
„Dafür ist es jetzt zu spät.“
„Aber …“
„Wenn du dich nicht bald auf den Weg machst, wird die Braut dich zur Kirche prügeln lassen. Emily stopfte die wichtigsten Dinge aus Jennys Handtasche in die elegante Abendtasche.
„Ich meine das ernst, Em.“
„Ich auch.“ Emily drückte Jenny die Tasche in die Hand und hielt ihr die Autoschlüssel vor die
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