Heute wär ich mir lieber nicht begegnet
ihre Köpfe lassen. Ein älteres Paar mit dicken Eheringen, die neumodisch graviert waren mit Blumenmustern, besetzte die zwei freien Stühle an unserem Tisch.
Ich frage dich zum letzten Mal, sagte die Frau.
Ich weiß es nicht, sagte der Mann.
Wer dann.
Ich doch nicht.
Wieso du nicht, stell dich nicht dümmer als du bist.
Spuck nicht so beim Reden, Gott ich habs vergessen.
Deinen Verstand hast du vergessen, schon bei der Geburt.
Ja, sonst wär er nicht bei deinem kleinen Hirn.
Sondern in der Lehmhütte bei deiner Mutter.
Du hast es nötig, meine Süße.
Deine Süße, eine andere nimmt dich doch nicht.
O je, du wirst noch um mich weinen.
Was hast du jetzt gedacht.
Was soll ich sagen.
Du hast bestimmt was anderes gedacht.
Nein, ich hab nichts anderes gedacht.
Das glaub ich dir nicht.
Doch.
Nein, man glaubt du atmest, und schon lügst du.
Ja, ja, sogar wenn ich dich fick.
Dann sowieso.
Dafür willst du aber ziemlich oft.
Weil du für sonst nichts zu haben bist.
Du redest, du bist doch nur ein Loch mit Dauerwellen.
Sagst du nun, wie es war, oder nicht.
Hör auf, ich weiß es nicht.
Wer dann ...
So ging das von vorn, wie ein Wirbel im Wasser, der Ton wurde schärfer, die Lehmhütte zum Hühnerstall und das Loch mit Dauerwellen zur Matratze mit Quasten. Gift stach ihnen aus den Augen. Die Frau fragte ihn aus, als wären nur sie beide hier, der Mann stierte in die Luft, als wär er allein. Die Sonne war noch immer milchig, man hörte die großen Bäume rauschen, der Himmel drückte, hatte in dem vielen Laub fast keinen Platz, Schuhe knirschten im Kies. Er hatte sie satt und war ihr verfallen. Und sie ließ uns alle drei nicht aus den Augen. Auch Paul und ich waren gefangen, wir schwiegen ohne uns anzusehen, damit sie nicht meinen kann, wir machen uns Zeichen. Voneinander abgeschnitten, horchend und doch wie taub, bekamen wir nicht mit, was sie von ihm wollte. Paul zog die Hand vom Tisch, die Frau schätzte die Bewegung ein, sah mich an und wartete, was ich nun tu. Ich beugte mich zu Paul, und er griff mir ans Knie und sagte:
Komm.
Ich setzte mich wieder gerade, sie aber wartete, daß Pauls Hand auf dem Tisch erscheint. Paul muß es gespürt haben und ließ sie auf meinem Knie. Mit der anderen winkte er dem Kellner.
Laß mich bezahlen, dann freut sich der verkaufte Ehering, sagte ich.
Ich wollte das Glück herunterspielen, die beiden schwiegen gerade und horchten wie Paul und ich bisher, und ich war froh, daß sie auch noch etwas hören und nicht verstehen. Paul nahm das Geld aus seiner Tasche, an meines wollte er nicht. Die Frau sah ihren Ehering an, und Paul und ich sagten gleichzeitig:
Auf Wiedersehen.
Das klang, als wären wir zwei aufgezogene Sprechpuppen. Sie hob zum Gruß die Hand kurz vom Tisch. Der Mann schaute, als wäre er auf unseren Beistand angewiesen und sagte:
Alles Gute.
Er hatte es in seiner Lage nötiger als wir, wir fuhren durch die Bäume zum verrutschten Turmblock. Ich schlief in dieser Nacht zum ersten Mal bei Paul und blieb.
Bis das Fleisch älter war und jünger als wir, der Atem still oder gehetzt zum Zerreißen, hatten wir uns geliebt in dieser ersten Nacht. Danach hörte ich Gebell, als streunten die Hunde durch den Himmel. Dann schlief die Straße im Ticken der Uhr, der Boden war still. Der Tag wurde grau, das Zifferblatt hatte noch kein Licht von draußen. Bald kamen in der Ladenstraße unten Lieferwagen an. Ich stieg aus dem Bett und schlich mit den Kleidern in der Hand aus dem Zimmer. Mit Gänsehaut stand ich im Flur und zog die Kleider auf die Bettwärme der Haut. Ich wollte rasch in meine Schuhe und verschwinden, bevor Paul aufwacht. Dann tat ich es nicht. So bleiben können wie die Schuhe hier stehen, wie der Wandschrank in der Küche hängt und auf der Stuhllehne ein schneidigheller Streifen Sonne, der wächst und später auf dem Tisch liegt. Hierbleiben, weil auf den Papieren, die in der Fabrik schon längst beschrieben werden, nach jedem Samstag Montag ist. Ich nahm mir ein Glas Wasser und trank den mehligen Geschmack der Zunge. Nicht dableiben, wie auf dem Flohmarkt eingekauft, dachte ich, lieber auf und davon. Wer geht, kann wieder kommen. Eine rotemaillierte Dose stand auf dem Tisch, ich öffnete sie, roch am gemahlenen Kaffee, schloß den Deckel, stellte sie hin und sah meine fettigen Fingerabdrücke, und was ich in der Nacht geträumt hatte:
Mein Tata liegt in einem weißen Sonntagshemd zu Hause im Hof auf einem Holztisch, und neben seinem
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