Heute wär ich mir lieber nicht begegnet
weiter, man hörte die Hufe kaum im Staub. Die Köter nahm man erst von der Straße, wenn es später Abend war und man wußte, daß er nicht mehr ausritt. Da lagen die hellen Bäuche, quollen strackstot in der Sonne auf, ihre Augen und Schnauzen gehörten den Fliegen. Dem Sicherheitsdienst lieferte er Großbauern, mittlere, dann Kleinbauern. Er war fleißig, langsam wurden es zu viele und zu arme. Die Herren aus der Stadt schickten etliche mit dem nächsten Zug ins Dorf zurück.
An einem Morgen lag der Schimmel krepiert im Stall, mit Kleie vergiftet. Tag und Nacht wurden die Männer der Umgebung im Gemeindehaus ausgefragt und verprügelt, zwei Bedienstete, Halunken aus dem Dorf, lösten sich ab. Es wurden drei Männer beschuldigt und verhaftet. Alle drei sind tot, aber keiner von ihnen hat es getan. Der Schimmel wurde von den beiden Halunken in der Nacht auf einen Traktor geladen und in einem Tal zwischen dem Dorf und der Kleinstadt hinter den Weingärten begraben. Mein Schwiegervater fuhr mit. Er und ein Halunke saßen mit der Sturmlaterne neben der Pferdeleiche auf dem Anhänger. Sie mußten Schnaps trinken, weil das Pferd so stank. Der andere Lump saß nüchtern am Steuer, es ging in die Hügel hinaus. Es hatte viel geregnet, in der weichen Erde blieb der Traktor stecken. Der Kerl am Steuer erzählte am nächsten Tag, daß Grillen, Frösche und anderes Nachtgetier in den frisch gewaschenen Gräsern um die Wette schrien, daß die Pferdeleiche bis zum Mond hinauf stank. Wir waren im Sack des Teufels, sagte er. Der große Kommunist wurde rasend in dieser Nacht. Er irrte durch den Schlamm, schluchzte und fluchte. Er mußte immer wieder kotzen, seine Augen platzten fast, er hatte gar nichts mehr im Magen. Als das Grab geschaufelt und das Pferd vom Traktor abgeladen war, warf er sich auf den Boden und hängte sich an den Pferdenacken. Er ließ nicht mehr los. Die beiden Halunken mußten ihn in die Kabine schleppen und auf den Sitz binden. Dort saß er auch auf der Rückfahrt, angebunden, dreckig, verkotzt und stumm. Als der Traktor auf dem halben Heimweg wieder oben auf einem Hügel war, band der Fahrer ihn los und fragte: Sollen wir noch eine Weile Pause machen. Der Losgebundene schüttelte abwesend den Kopf Der Mond schien ihm in die Augen, sie leuchteten tot wie Schnee. Im Brummen des Traktors begann er zu beten. Er stotterte ein Vaterunser nach dem anderen, bis man am Dorfrand die Häuser sah. Im Dorf glaubt man noch heute, daß dieses Begräbnis sein Ende war. Nicht nur den Edelkommunisten packte in dieser Nacht die Angst, die im Menschen drin sitzt. Im Sack des Teufels hörten auch seine zwei Bediensteten ihr Todesglöckchen schlagen. Der Fahrer fing an, in die Kirche zu gehen und erzählte jedem, der es hören wollte, von der Begräbnisnacht. Der Parfümkommunist wurde aus dem Revier abgezogen. Das Gerücht ist nie verstummt, daß der Fahrer das Pferd nicht nur begraben, sondern selber vergiftet hat. Er war für kurze Zeit verschwunden, im Dorf glaubte man, er sei verhaftet, wie er es verdient. Aber er tauchte wieder auf und hatte einige Tage später nur noch seine linke Hand. Da ihn alle kannten, wollte er verschwinden und bewarb sich als Kirchendiener in einem anderen Dorf und wurde genommen. Dort hieß es, er habe die Hand im Krieg verloren. Man fand sie in der Mehldose, in seiner Küche, als er weggezogen war. Da man einige Jahre nach dem Krieg als Kirchendiener nur Krüppel nahm, hat er sich die Hand selber abgehackt.
Paul kochte Kaffee, auf dem Feuer zischte das Wasser, und vor dem Küchenfenster flog eine Amsel, setzte sich aufs Blechsims und pickte an ihrem eigenen Schatten.
Eine Zeitlang kamen zwei, sagte Paul, dann lag eine neben dem Eingang, es waren Ameisen dran.
Paul rührte den Kaffee um, der Löffel klapperte, ich legte den Zeigefinger auf den Mund.
Pss.
Wir können weiterreden, sowieso fliegt sie gleich weg.
Aber den Löffel legte er hin ohne Geräusch. Auf dem Tisch vor meinen Händen die rote Kaffeedose, die eigelbe Marmelade und die weißen Brotscheiben. Draußen ein senkrechter Himmel, der blaßgelbe Schnabel und die Federn aus Pech. Jeder Gegenstand schaute den anderen an. Paul goß den Kaffee in die Tassen, der Dampf zog um seinen Hals. Ich tupfte an die Tasse und zeigte mit dem heißen Finger zum Fenster – die Amsel flog weg, der Kaffee war noch zu heiß.
Der Parfümkommunist, sagte ich, wurde in die Gärtnerei versetzt, da ist er geblieben. Das weiße Pferd wirkt bis heute, er
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