Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
ohne Elodie und Anna begegnet und reagierte etwas irritiert.
Chaston grinste uns höhnisch an, aber es sah nicht richtig echt aus, eher so, als würde sie Elodie nachahmen.
»Halt den Mund, Chaston«, rief ich gereizt.
»Heute frische Hexe zum Abendessen«, sagte sie mit einem boshaften Lachen, bevor sie in ihrem Zimmer verschwand.
Jenna sah jetzt noch bleicher aus als gewöhnlich. Es konnte eine Täuschung des Lichts gewesen sein, aber eine Sekunde lang glaubte ich, ihre Augen hätten rot aufgeblitzt.
»Der Blutegel«, murmelte sie. »Das ist neu.«
»Hey«, sagte ich und schüttelte sie ein wenig. »Lass dich von denen nicht unterkriegen. Schon gar nicht von der da . Die ist es nicht wert.«
Jenna nickte. »Du hast recht«, gab sie zu, sah jedoch immer noch zu Chastons Tür hinüber. »Also, kommst du mit in Klassifikation von Gestaltwandlern?«
Ich schüttelte den Kopf. »Casnoff hat mir den Tag freigegeben«, sagte ich.
Zum Glück fragte Jenna nicht nach dem Grund. »Cool. Dann sehen wir uns beim Abendessen.«
Als Jenna fort war, überlegte ich, in mein Zimmer zurückzugehen, um zu lesen oder mich hinzulegen, doch stattdessen ging ich nach unten in die Bibliothek. Wie das übrige Haus wirkte auch dieser Raum in meinen Augen jetzt wesentlich weniger schäbig. Die Stühle sahen kaum noch wie schwammige Pilze aus, die darauf warteten, mich zu verschlucken, und außerdem viel bequemer.
Ich brauchte nur eine kleine Weile die Regale abzusuchen, bis ich fand, wonach ich suchte.
Das Buch war schwarz, mit einem rissigen Rücken. Es trug keinen Titel, aber auf dem Buchdeckel war ein großes, goldenes Auge aufgeprägt.
Ich setzte mich auf einen der Stühle, schlug die Beine unter und öffnete das Buch einfach in der Mitte. Ich stieß da auf mehrere glänzende Seiten mit Bildern, von denen die meisten Reproduktionen von Gemälden waren, obwohl es auch einige grobkörnige Fotos von einer verfallenen Burg in Italien gab, bei der es sich angeblich um das Hauptquartier von L’Occhio di Dio handelte. Ich blätterte etwas herum und hörte plötzlich auf, als ich auf dasselbe Bild stieß, dass ich auch schon in Moms Buch gesehen hatte. Es war genauso schrecklich, wie ich es in Erinnerung hatte: Die Hexe lag auf dem Rücken, die Augen voll wilder Panik, und der dunkelhaarige Mann beugte sich mit einem silbernen Messer über sie. Über seinem Herzen war das Auge eintätowiert.
Ich löste mich von den Bildern, um den Text zu überfliegen.
Gegründet im Jahr 1129 in Frankreich, begann die Vereinigung als ein Ableger der Tempelritter. Ursprünglich handelte es sich um eine Gruppierung frommer Ritter, die mit der Aufgabe betraut waren, die Welt von Dämonen zu befreien. Die Vereinigung übersiedelte schon bald nach Italien, wo sie sich den offiziellen Namen »L’Occhio di Dio« gab – das Auge Gottes. Sie wurde für ihre brutalen Angriffe auf alle Arten von Prodigien, aber auch auf Menschen, die Prodigien unterstützten, schnell berüchtigt. Im Laufe der Zeit entwickelte sie sich von einer Gruppe heiliger Krieger zu einer Vereinigung, die mehr Ähnlichkeit mit einer Terrororganisation aufwies. Sehr auf Geheimhaltung bedacht, ist L’Occhio di Dio heute eine Elitetruppe von Attentätern mit nur einem Ziel – der vollständigen Vernichtung aller Prodigien.
»Echt nett«, murmelte ich vor mich hin.
Ich blätterte weiter. Der Rest des Buches schien eine Geschichte der Anführer der Vereinigung und ihrer berühmtesten Opfer unter den Prodigien zu sein. Ich überflog die Namensliste, fand Alice Barrow jedoch nicht darauf. Vielleicht hatte Mrs Casnoff sich geirrt, und sie war doch keine so große Nummer gewesen.
Gerade wollte ich das Buch wieder ins Regal stellen, als eine Schwarzweißillustration meine Aufmerksamkeit erregte. Ich erschauderte. Das Bild zeigte eine Hexe, die auf einem Bett lag; ihr Kopf war zur Seite gerollt, die Augen blicken leer. Hinter ihr standen zwei ernste Männer in Schwarz und starrten auf den Leichnam hinab. Ihre Hemden waren gerade so weit geöffnet, dass ich die Tätowierung auf ihrer Brust erkennen konnte. Einer der Männer hielt einen langen, dünnen Stock mit einem spitzen Ende in der Hand. Es sah beinahe wie ein Eispickel aus. Der andere Mann trug einen Krug mit einer verdächtig wirkenden, schwarzen Flüssigkeit. Ich blickte auf die Bildunterschrift.
Zwar ist die Entfernung des Herzens die gewöhnlichste Hinrichtungsmethode von L’Occhio di Dio, doch kommt es auch vor, dass sie Prodigien
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