Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
war zweifellos das stärkste Prodigium, von dem man je erfahren hatte. Daher war es auch von entscheidender Bedeutung, dass der Rat erfuhr, ob sie dieses Ausmaß an magischen Kräften an ihre Tochter weitervererbt hatte, die schließlich zur Hälfte ein Mensch war.«
»Und … hatte sie?«
»Ja. Und diese Macht wurde auch an Ihren Vater weitergegeben.«
Sie sah mir in die Augen. »Und an Sie.«
14
Nach unserer kleinen Besprechung gab mir Mrs Casnoff den Rest des Nachmittags frei, damit ich, wie sie es ausdrückte, über das reflektieren konnte, was ich gerade erfahren hatte. Mir stand jedoch gar nicht der Sinn nach Reflektieren. Ich marschierte direkt in den zweiten Stock. In einer kleinen Nische meines Flurs befand sich eine Reihe leuchtend roter Telefone, die die Schüler benutzen durften. Sie waren ziemlich staubig, da die meisten Prodigien in Hecate gar keine Telefone brauchten, um sich mit ihren Familien in Verbindung zu setzen. Vampire konnten Telepathie anwenden, obwohl es Jenna nicht besonders ähnlichsah, sich zu Hause zu melden. Die Gestaltwandler hatten so eine Art Rudelbewusstsein, dessen sie sich bedienten, und die Elfen machten sich den Wind oder fliegende Insekten zunutze, um Nachrichten zu übermitteln. Erst an diesem Morgen hatte ich Nausicaa einer Libelle etwas zuflüstern hören.
Was Hexen und Zauberer betraf, so gab es angeblich eine Reihe verschiedener Zauber, über die man mit Leuten kommunizieren konnte – von der Möglichkeit, seine Mitteilungen schriftlich auf einer Wand erscheinen zu lassen, bis zu sprechenden Katzen, die mit der eigenen Stimme redeten. Aber diese Hexentechniken kannte ich nicht, und selbst wenn, so nützten sie nur etwas bei anderen Hexen. Da Mom ein Mensch war, musste es also auf menschliche Art geschehen.
Ich griff nach dem Telefon und verzog das Gesicht, weil es sich in meiner verschwitzten Hand schmierig anfühlte.
Wenige Sekunden später meldete sich Mom.
»Mein Dad ist das Oberhaupt des Rates«, sagte ich, bevor sie auch nur ihr Hallo herausbringen konnte.
Ich hörte sie seufzen. »Ach, Sophie, ich wollte es dir sagen.«
»Hast du aber nicht«, erwiderte ich und merkte überrascht, dass ich einen Kloß im Hals hatte.
»Sophie …«
»Du hast mir überhaupt nichts gesagt.« Meine Augen brannten, meine Stimme klang belegt. »Du hast mir nicht gesagt, wer mein Dad ist, du hast mir nicht gesagt, dass ich offenbar die mächtigste Hexe aller Zeiten bin oder so was. Du hast mir auch nicht gesagt, dass es Dad war, der … der mich dazu verurteilt hat hierherzukommen.«
»Er hatte keine Wahl«, sagte Mom müde. »Wie stünde er vor den anderen Prodigien denn da, wenn seine eigene Tochter straffrei ausginge?«
Ich wischte mir mit dem Handballen über die Wange. »Klar, auf keinen Fall wollen wir, dass er schlecht dasteht«, entgegnete ich.
»Schätzchen, lass mich deinen Vater anrufen, dann können wir das …«
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass es Leute gibt, die mich umbringen wollen?«
Mom keuchte leise auf. »Wer hat dir das denn erzählt?«, fragte sie scharf und klang sogar noch wütender als ich.
»Mrs Casnoff«, antwortete ich. »Gleich nachdem sie die Bombe über meine Zauberkräfte hatte platzen lassen, hat sie mir erklärt, dass mich mein Dad unter anderem deswegen nach Hecate geschickt hatte, um mich zu beschützen.«
»Sie können ihm keinen Vorwurf daraus machen«, hatte Mrs Casnoff gesagt. »L’Occhio di Dio hat auch Lucy getötet, im Jahr 1974, und auf das Leben Ihres Vaters sind bereits zahlreiche Anschläge verübt worden. Während der ersten fünfzehn Jahre seines Lebens konnte Ihr Vater Ihre Existenz noch geheim halten. Doch jetzt … Es war nur eine Frage der Zeit, bis L’Occhio de Dio von Ihrer Existenz erfuhr, und in der normalen Welt wären Sie nun wirklich vollkommen schutzlos gewesen.«
»Was … was ist mit diesen Iren?«, hatte ich gekrächzt.
Mrs Casnoff war meinem Blick ausgewichen. »Die Brannicks stellen im Augenblick keinen Grund zur Sorge dar«, antwortete sie. Ich wusste, dass sie log, aber ich war zu geschockt, um nachzuhaken.
»Ist das wahr?«, fragte ich Mom jetzt. »Hat Dad mich hierhergeschickt, weil ich in Gefahr bin?«
»Ich möchte, dass du mir jetzt sofort Mrs Casnoff gibst«, sagte Mom, ohne meine Frage zu beantworten. Es lag eine Menge Ärger in ihrer Stimme, aber ich hörte auch Furcht darin.
»Ist es wahr?«, wiederholte ich.
Als sie nicht antwortete, schrie ich: »Ist es wahr?«
Irgendwo im
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