Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
ausbluten lassen. Ob sie das tun, um auf Vampire hinzudeuten, oder aus einem anderen Grund, ist nicht bekannt.
Fröstelnd starrte ich auf die Hexe mit den toten Augen. Es waren keine Löcher in ihrem Hals zu sehen, wie man sie an Hollys Leiche gefunden hatte, aber die Männer hatten ihr offensichtlich irgendwie das Blut abgelassen.
Das Gleiche konnte jedoch unmöglich auch hier passiert sein. Wir befanden uns auf einer Insel, und diese Schule war von mehr Schutzzaubern umgeben, als ich zählen konnte. Gewiss konnte kein Mitglied des Auges unbemerkt hier hereinkommen.
Ich blätterte weiter, auf der Suche nach Kapiteln, in denen etwas darüber stand, wie das Auge Schutzzauber durchbrochen hatte. Aber ich las nur immer wieder, dass sie keine Zauberkraft benutzten, sondern bloß brutale Gewalt.
Später, nachdem ich das Buch in mein Zimmer geschmuggelt hatte, zeigte ich Jenna das Bild.
Ich dachte, es würde sie vielleicht interessieren, aber sie warf kaum einen Blick darauf, bevor sie sich abwandte und in ihr Bett stieg. »L’Occhio di Dio tötet nicht auf diese Weise«, sagte sie, während sie das Licht ausknipste. »Sie gehen nie heimlich vor oder so. Sie wollen, dass alle wissen, dass sie es waren.«
»Woher weißt du das?«, fragte ich.
Sie lag stumm da, und ich dachte schon, dass sie nicht antworten würde.
Dann aber sagte sie aus der Dunkelheit heraus: »Weil ich sie gesehen habe.«
15
Zwei Tage später nahm ich meinen Kellerdienst auf.
Ich will gleich gestehen, dass ich vorher noch nie in einem Keller gewesen war. Ehrlich gesagt, ich wüsste auch keinen Grund, warum jemand einen Keller betreten sollte, es sei denn, es ginge irgendwie um Wein.
Dieser Keller wirkte besonders ungemütlich. Zum einen bestand der Boden nur aus gestampfter Erde, was … na ja, igitt. Außerdem war es trotz der Hitze draußen ziemlich kühl und roch modrig und feucht. Hinzu kamen die hohe Decke mit ihren nackten Glühbirnen, das eine winzige Fenster, durch das man auf den Komposthaufen hinter der Schule sah, und die endlosen Regale voll von staubigem Müll. Und da verstand ich endlich, warum ein halbes Jahr Kellerdienst so übel war. Obendrein hatte die Vandy beschlossen, besonders fies zu sein und uns für drei Abende die Woche in den Keller zu schicken, gleich nach dem Essen. Während also alle anderen in ihrem Zimmer abhingen oder an einem von Lord Byrons epischen Aufsätzen arbeiteten, würden Archer und ich einen Haufen Abfall katalogisieren, den der Rat für zu wichtig hielt, um ihn wegzuwerfen, aber doch nicht für wichtig genug, um ihn in seinem Hauptsitz in London unterzubringen.
Am Morgen hatte Jenna versucht, mich aufzuheitern, und bemerkt: »Zumindest hast du mit einem heißen Jungen zusammen Kellerdienst.«
»Archer ist nicht mehr heiß«, hatte ich erwidert. »Er hat versucht, mich umzubringen, und seine Freundin ist der Satan.«
Doch ich muss zugeben: Als wir nebeneinander auf der Kellertreppe standen und der Vandy zuhörten, die über das schwafelte, was wir dort unten tun sollten, konnte ich nicht umhin, ein paar verstohlene Seitenblicke auf ihn zu werfen und zu bemerken, dass er, abgesehen von seinen mörderischen Neigungen und der erzbösen Freundin, immer noch ziemlich heiß war. Wie meistens saß seine Krawatte etwas locker, und er hatte die Hemdsärmel aufgekrempelt. Er sah die Vandy gerade mit diesem gelangweilten, vage belustigten Ausdruck an und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
Diese Haltung brachte seinen Oberkörper und die Arme außerordentlich gut zur Geltung. Wie unfair, dass ausgerechnet Elodie so etwas als Freund abbekommen musste. Ich meine, wo bleibt die Gerechtigkeit, wenn …
»Miss Mercer!«, blaffte die Vandy, und ich zuckte dermaßen zusammen, dass ich beinahe das Gleichgewicht verlor.
Ich hielt mich an dem Treppengeländer neben mir fest, und Archer stützte mich am Ellbogen.
Dann zwinkerte er, und ich sah schnell wieder die Vandy an, als wäre sie die faszinierendste Person auf der Welt.
»Muss ich etwas davon wiederholen, Miss Mercer?«, höhnte sie.
»N-nein. Ich hab’s verstanden«, stammelte ich.
Sie taxierte mich einen Moment lang. Ich glaube, sie suchte nach einer geistreichen, herabsetzenden Bemerkung. Aber die Vandy war wie die meisten gemeinen Leute im Grunde genommen dumm, weshalb sie schließlich auch nur ein Knurren von sich gab und sich zwischen mir und Archer vorbeidrängte, um die Treppe hinaufzustolzieren.
»Eine Stunde!«, rief sie über ihre
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