Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
kommen und mich mit zurückschleppen nach … na ja, ich hatte keine Ahnung, wohin. Jedenfalls war es ja nun nicht so, als hätte ich wieder nach Hex Hall gehen können.
Diese Gedanken ermüdeten mich viel zu sehr, also schleppte ich mich die Treppe nach oben und nahm dann die längste und heißeste Dusche aller Zeiten. Ich wusste, es war wesentlich mehr als heißes Wasser nötig, um das Grauen und die Traurigkeit wegzuwaschen, die mich zu überwältigen drohten, aber es half dennoch. Außerdem würde ich mich gleich mit Archer treffen, also wollte ich natürlich unbedingt ganz frisch sein.
Als ich die Milchglastür der Dusche öffnete, fühlte ich mich schon etwas besser, doch dieses Gefühl verschwand sofort wieder, weil plötzlich wieder Elodie vor mir stand. Sie war diesmal ein bisschen deutlicher zu erkennen, sah aber vollkommen panisch aus. Ihre Lippen bewegten sich so schnell und hektisch, dass ich nichts von dem verstehen konnte, was sie mir zu sagen versuchte. »Ich weiß«, murmelte ich, während ich mich in einen Bademantel hüllte. »Wahrscheinlich sollte ich öfter ins Fitness-Studio gehen oder so was, aber mal ehrlich, wenn du bei mir spuken willst, müssen wir definitiv mal ein paar Grenzen abstecken.«
Entnervt warf sie die Hände hoch und schwebte ein Stückchen höher – in ihrem Gesicht stand eine Mischung aus Ärger und Angst. Und eine innere Stimme sagte mir, dass sie mich auf etwas wesentlich Wichtigeres hinweisen wollte als auf diese zehn Pfund, die ich noch getrost abnehmen konnte.
Ein energisches Klopfen an der Tür ließ mich zusammenzucken, und sogar Elodie riss den Kopf herum. »Bleib, wo du bist«, befahl ich ihr mit erhobenem Zeigefinger. Woraufhin sie mir den Stinkefinger vor die Nase hielt. Entzückend.
Elizabeth stand vor meiner Tür, mit einer Miene, die genauso besorgt aussah wie die von Elodie. »Haben Sie Nick gesehen, Sophia?«
Meine Haut kribbelte. »Nein, wieso?«
Nervös drehte sie an einem ihrer Ringe herum. »Wir können ihn nicht finden. Und nach allem, was mit Daisy geschehen ist, können Sie sicher verstehen, warum das äußerst beunruhigend ist.«
Aus dem Augenwinkel konnte ich Elodie vor der Badezimmertür schweben sehen, und zwar wedelte sie so heftig mit ihren geisterhaften Armen, wie sie nur konnte.
»Ich werde nach ihm Ausschau halten«, versprach ich noch schnell, bevor ich ihr die Tür – sanft – vor der Nase zuschlug.
»Was?«, flüsterte ich und drehte mich wieder zu Elodie um. Sie schwebte ins Badezimmer zurück und bedeutete mir, ihr zu folgen. Aber als ich hineinging, war sie verschwunden. »Na toll«, sagte ich laut. »Selbst im Tod bist du noch die reinste Nerven…«
Doch dann sah es so aus, als ob jemand auf den beschlagenen Spiegel schriebe. Ganz langsam und beschwerlich ergab sich schließlich ein Wort.
ARCHER .
Zwei weitere Worte erschienen, während sich Angst und Schrecken in meinem Bauch zusammenballten, schwer wie Ziegelsteine.
MÜHLE . NICK .
»O Gott«, ächzte ich.
LAUF .
35
Ich rannte ins Schlafzimmer zurück, bevor mir in den Sinn kam, dass mich garantiert irgendjemand fragen würde, wo ich hinwollte, wenn ich einfach im Bademantel aus dem Haus lief. Panik breitete sich aus, noch während die Magie in mir aufstieg.
Der Teleportationszauber. Mir war es noch nie gelungen, mich weiter als drei Meter zu versetzen, und die Mühle war fast einen Kilometer entfernt. Egal, ich musste es versuchen.
Während ich die Augen schloss, holte ich schon mal tief Luft, sog meine Kräfte in mich hinein und versuchte, ruhiger zu werden. Das Ganze hatte wahrscheinlich nur fünf Sekunden gedauert, doch mir kam es vor, als wären Stunden vergangen, bis ich endlich spürte, wie mich der eisige Wind einwickelte und mein Blut langsamer durch die Adern floss.
Die Kälte verebbte, und ich hatte fast Angst, die Augen wieder zu öffnen. Aber als ich es tat, stand ich direkt vor der Kornmühle. Jede Erleichterung darüber, dass der Zauber funktioniert hatte, verpuffte jedoch in dem Augenblick, in dem ich die Mühle betrat. Ich konnte eine Restladung an Magie spüren, die noch in der Luft lag. Dunkle Magie.
»Archer?«, rief ich. Mein Herz hämmerte so laut, dass ich schon befürchtete, nichts anderes mehr hören zu können.
Doch dann vernahm ich aus dem hinteren Teil der Mühle ein schwaches, keuchendes: »Mercer.«
Ein Schluchzen entwich meiner Kehle, während ich zu der Nische stürzte. Archer lag auf dem Rücken, die Hände auf der
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