Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
Blut«, erklärte ich hastig. »Jemand ist verletzt, und du musst bitte unbedingt zur Mühle kommen, so schnell du kannst. Erzähl aber niemandem davon. Wir treffen uns dort.«
Verwirrt runzelte er die Stirn, doch ich teleportierte mich zurück in die Mühle, bevor er überhaupt Gelegenheit hatte, noch irgendwelche Fragen zu stellen.
Ich konnte nicht genau sagen, ob das ganze Training mit Dad der Grund dafür war oder etwas anderes, aber es kostete mich kaum Kraft, einen so gewaltigen Zauber zu wirken. Als ich wieder in der Mühle stand, hatte ich einen klaren Kopf, und mir war kein bisschen schwindelig. Nichtsdestotrotz jagte die Angst noch immer durch meine Adern, und sofort rannte ich zu Archer zurück. Gott sei Dank hob und senkte sich seine Brust, als ich ihn erreichte, doch er schien jetzt schneller zu atmen als zuvor, und seine Augen waren geschlossen.
»Siehst du, ich hab dir doch gesagt, dass ich gleich wieder da bin«, erklärte ich und ging neben ihm in die Hocke. Ich bemühte mich um einen unbeschwerten Tonfall, so nach dem Motto: Wenn er nur glaubte, dass ich keine Angst hatte, dann würde er auch keine haben. Es schien sogar irgendwie zu funktionieren, denn immerhin nahm er meine Hand und, ohne die Augen zu öffnen, drückte er sie sich auf den Mund. Ich legte meine freie Hand vorsichtig um sein anderes Handgelenk und fühlte seinen Puls.
Dann richtete ich meine Konzentration voll und ganz auf seinen rhythmischen Herzschlag unter meinen Fingern, bis Cal irgendwann endlich die Mühle erreichte. »Sophie?«
»Hier hinten!«
Ich hörte, wie er über die losen Steine und herumliegenden Dachbalken stieg, und als er schließlich im Eingang stand, dachte ich, dass er womöglich das Schönste war, was ich je gesehen hatte. »Oh, ich danke dir«, flüsterte ich – ob das jedoch an Cal gerichtet war oder an Gott, hätte ich nicht sagen können.
»Was ist passiert?«, fragte er, als er auf mich zukam.
Und dann sah er es.
In seinem Gesicht spiegelte sich ein Wechselbad der Gefühle. Zuerst wirkte er schockiert, doch dann wich der Schreck einem eisigen, stillen Zorn. Sein Blick wurde hart und seine Lippen schmal.
»Cal«, sagte ich, doch es klang eher wie ein Wimmern.
»Geh mal beiseite«, knurrte er angespannt. Ich rappelte mich auf und ging um Archer herum, während Cal sich dorthin kniete, wo ich zuvor gekauert hatte. Mürrisch packte er Archers Arm – ganz ohne die Sanftheit, die ich an ihm bemerkt hatte, wenn er andere Leute heilte, mich eingeschlossen. Es war, als wolle er ihn so wenig wie möglich berühren. Einen schrecklichen Augenblick lang kamen mir schon ernste Zweifel, doch dann senkte Cal den Kopf, und kleine, silberne Funken huschten über Archers Haut.
Also setzte ich mich auf den dreckigen Boden einer Kornmühle aus dem 18. Jahrhundert und sah dabei zu, wie mein Verlobter den Typen, den ich liebte, von einem Dämonenangriff heilte.
»Wow«, murmelte ich, »wenn ich wieder nach Hex Hall zurückgehe, wird mein Aufsatz zum Thema Wie ich meine Sommerferien verbracht habe echt chaotisch ausfallen.« Dann stützte ich die Stirn auf meine Knie und wusste nicht, ob ich jetzt in Tränen ausbrechen sollte oder doch lieber in hysterisches Gelächter.
Nach einigen Minuten hörte ich Cal sagen: »So.«
Als ich aufblickte, war das Blut unter Archer restlos verschwunden, und obwohl er immer noch bewusstlos war, atmete er langsam und gleichmäßig. Auf allen vieren krabbelte ich zu den beiden hinüber. »Ich danke dir von ganzem Herzen«, sagte ich und legte Cal eine Hand auf den Arm.
Er schüttelte meine Hand jedoch ab, als er aufstand, und wandte sich von mir ab. Seine gesamte Körperhaltung – von den angespannten Schultern bis hin zu den geballten Fäusten – brachte nichts als Zorn zum Ausdruck.
Ich folgte ihm, wollte ihm alles erklären und sagte gerade schon »Es tut mir leid«, als er mir ins Wort fiel.
»Lass es. Ich wusste ja, dass du naiv sein kannst, aber ich hab dich nie für so dumm gehalten. Er ist ein Auge, Sophie. Sie töten unseresgleichen. Was ist daran so schwer zu kapieren?«
Ich blinzelte ihn nur hilflos an.
»Und dieser hier ist noch viel schlimmer als alle anderen«, fuhr Cal fort, »denn technisch gesehen ist er einer von uns. Er ist ein Verräter seiner eigenen Rasse, und du lässt dich einfach immer wieder auf ihn ein und … stößt alle anderen von dir weg.« Dann erst sah er mich an, und was mir aus seinen Augen förmlich entgegensprang, ließ mich
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