Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
landen würde.
34
So merkwürdig es auch klingen mag, aber als diese mehr als drei Meter hohe Bronzelady auf mein Gesicht zustürzte, war mein erster Gedanke: Na, wenigstens kann mich das nicht umbringen. Dazu war schließlich nur Dämonenglas fähig. Doch andererseits war ich mir nicht so sicher, ob selbst Cal das Ausmaß an Verletzungen heilen konnte, das ich gleich davontragen würde.
Ohne großartig nachzudenken, schloss ich die Augen. Ich spürte, wie meine Kräfte in mir aufwallten, und hatte außerdem dieses seltsame Gefühl, als wehe ein eisiger Wind über mich hinweg – etwas, das ich seit jener Nacht auf der Lichtung mit Alice nicht mehr wahrgenommen hatte.
Wie aus weiter Ferne hörte ich das ohrenbetäubende Krachen, mit dem die Statue auf den Marmorboden schlug. Ich öffnete die Augen.
Plötzlich stand ich ein Stück entfernt, direkt hinter Daisy auf der Treppe. Zum ersten Mal seit über sechs Monaten hatte ich mich teleportiert.
Verwirrt fuhr Daisy herum. Doch so wie es aussah, hatte das Krachen einer gewaltigen, auf Steinboden stürzenden Metallstatue die allgemeine Aufmerksamkeit erregt, denn auf einmal hörte ich schnelle Schritte. »Nein!«, schrie jemand. Dad stand auf der obersten Treppenstufe. Er war ganz außer Atem und hielt eine Hand nach Daisy ausgestreckt.
»Das bist nicht du«, sagte er zu Daisy, und ich merkte ihm an, wie sehr er sich darum bemühte, in diesem ruhigen Ton zu sprechen. »Du kannst dich dagegen wehren. Erinnere dich an das, was ich dir beigebracht habe.«
Doch über Daisys Gesicht huschte nicht einmal ein Hauch von Erkenntnis. Das war das Bedrohlichste an der ganzen Situation. Selbst Alice hatte, so wahnsinnig sie auch gewesen war, zumindest immer noch irgendwie menschlich gewirkt. Daisy jedoch war nichts weiter als ein Ungeheuer mit einem Gesicht, das vor Zorn verzerrt war.
Sie bewegte sich so schnell, dass wir kaum Zeit hatten zu reagieren, als sie in ihren Taillenbund griff und etwas herauszog. Es war dieselbe Dämonenglasscherbe, die mich schon auf meiner Geburtstagsparty getroffen hatte. Das Zeug zischte in ihrer Hand, verbrannte sie, doch Daisy zuckte nicht einmal. Sie stürmte auf uns zu, ihre Augen funkelten genauso rötlich violett wie die von Alice in jener letzten Nacht.
Und dann passierte plötzlich alles auf einmal. Daisy stürzte auf mich zu, das Dämonenglas zum Angriff bereit. Nun zuckte aber ein Lichtblitz über mich hinweg – Dad. Doch auch dieses Mal schien sie keine Schmerzen zu empfinden. Plötzlich war Dad an meiner Seite und warf sich schützend zwischen mich und den gezackten, schwarzen Splitter. Ich schrie auf.
Noch im selben Moment rief jemand ein Wort, das ich noch nie zuvor gehört hatte. Tatsächlich konnte ich nicht einmal sagen, ob es überhaupt ein Wort war. Aber was es auch gewesen sein mochte, darin lag eine ungeheure Macht, die mir fast den Schädel platzen ließ.
Daisy stand mit weit aufgerissenen Augen vollkommen still da. Das Dämonenglas glitt aus ihrer Hand, fiel auf den Boden, und für einen Augenblick sah sie wieder ganz so aus wie die Daisy, die ich kannte. Doch dann rollten ihre Augen in den Höhlen zurück, sie brach auf der Treppe zusammen, polterte mehrere Stufen hinunter und blieb schließlich auf dem Treppenabsatz liegen. Irgendwo im Haus schlug eine Uhr elf, und ich musste bestürzt feststellen, dass noch nicht einmal vier Minuten vergangen waren, seit ich Dads Büro verlassen hatte.
Dad eilte die Stufen zu Daisys reglosem Körper hinunter und drückte seine Finger in die Kuhle unter ihrem Kiefer, während ich einfach nur Lara anstarrte. Sie stand schwer atmend neben der umgestürzten Statue.
»Was zum Teufel war das denn?«, fragte ich sie, während meine Stimme in der plötzlichen Stille viel zu laut klang.
»Ein simpler Lähmungszauber«, antwortete sie, während sie mit klappernden Absätzen um die Statue herumging.
»Sie lügen.«
Dad spuckte diese Worte in einem giftigeren Tonfall aus, als ich ihm das überhaupt zugetraut hätte, und Lara musste wohl ähnlich geschockt sein, denn sie wurde weiß wie eine Wand. »Wie bitte?«
Dad kam auf die Beine und starrte sie an, bis sie den Blick abwandte. »Es gibt keinen Lähmungszauber, der einen Dämon aufhalten könnte, nachdem er die Grenze bereits überschritten hat.«
Dad klang so furchteinflößend, dass selbst ich ein wenig erschauderte. Doch Lara zuckte mit keiner Wimper. »Den gibt es zweifellos, schließlich habe ich ihn gerade erfolgreich
Weitere Kostenlose Bücher