Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
zusammenzucken. Cal war sonst immer so geschickt darin, seine Gefühle zu verbergen, dass ich überhaupt nicht begriffen hatte … Gott, wie konnte ich nur so blind sein?
»Es tut mir schrecklich leid«, versuchte ich es noch einmal. »Ich … ich wollte dir nie wehtun, Cal.«
So schnell es gekommen war, so schnell war das Aufflackern von Schmerz auch wieder verschwunden. »Hier geht es nicht nur um mich«, sagte er. »Du sollst eines Tages das Oberhaupt des Rates sein. Die Prodigien müssen dir vertrauen können, aber das wird niemals geschehen, wenn du einen von denen in deinem Bett hast.«
Eine üble Kombination aus Ärger und Verlegenheit erfüllte mich jetzt und brachte meine Wangen zum Glühen. »Okay, erstens, niemand ist in meinem Bett . Und zweitens, Archer hat mir mehr als einmal das Leben gerettet. Er ist nicht das, wofür du ihn hältst.«
Cal schnaubte abfällig. »Ach, komm, Sophie. Begreifst du es denn immer noch nicht? Er ist L’Occhio di Dios ultimative Waffe. Jahrelang haben sie ihn als Spion in Hecate eingesetzt – was bringt dich also auf die Idee, das könnte jetzt anders sein? Wahrscheinlich ist das hier nur sein nächster Auftrag – er sucht deine Nähe, und dann nutzt er dich aus, um an Informationen über den Rat zu kommen.«
»Also, eigentlich wollte ich sie nur ausnutzen, um an ihren Körper heranzukommen, aber dein Vorschlag klingt auch nicht schlecht.«
Cal und ich rissen gleichzeitig die Köpfe herum. Archer saß an die hintere Wand gelehnt da, seine dunklen Augen funkelten. Er sah zwar noch immer ziemlich blass aus, aber davon abgesehen gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass er noch vor wenigen Minuten an der Schwelle des Todes gestanden hatte.
»Also, wenn du so fest davon überzeugt bist, ich sei ein Spion, warum hast du mich dann geheilt?«, fragte Archer und zuckte zusammen, als er sich aufrappelte. »Du hättest mich einfach verbluten lassen und dir eine Menge Ärger ersparen können.«
Cal musterte ihn finster. »Ich habe es für sie getan.«
Archers Grinsen verblasste. »Verstehe«, sagte er leise. »Danke.«
Sie starrten einander herausfordernd an, und während die dusselige Elfjährige in meiner Seele quasi darauf hoffte, dass sich zwei heiße Typen ihretwegen prügelten, wusste mein vernünftiges, siebzehnjähriges Ich, dass Archer von hier verschwinden musste, und zwar schnell.
»Okay, hört mal, wir können auch später noch über diese ganze Sache reden«, sagte ich und ging zu Archer hinüber. Er ergriff meine Hand und drückte sie.
Cals Blick fiel auf unsere ineinandergefalteten Hände, dann sah er zu Boden. »Ich geh zurück zum Haus«, murmelte er, doch als er sich umdrehte, war der Weg versperrt.
Dad, Lara und noch drei andere Ratsmitglieder standen an der Tür und fixierten Archer und mich mit grimmigen Mienen.
36
Meine Erinnerungen an alles, was danach kam, sind etwas verworren. Aber ich weiß noch, dass Kristopher plötzlich auf uns zustürmte und Archers Schwert außer Reichweite trat, bevor er Archer die Arme auf den Rücken zerrte und sie mit diesem schwarzen Seil fesselte, das immer an seiner Taille hing.
Ich erinnere mich auch, dass Lara Cals Arm packte und ihn anschrie, während Roderick die Arme vor der Brust verschränkte und mich böse anfunkelte – mit seinen schwarzen Flügeln sah er wie der Engel des Todes aus.
Aber vor allem erinnere ich mich daran, dass Dad einfach nur dastand und mich mit vollkommen unergründlicher Miene anstarrte. Und als ich versuchte, mit ihm zu sprechen, hob er nur unwirsch die Hand und sagte: »Versuch gar nicht erst, das hier zu erklären, Sophia.«
Der Weg zurück zum Haus war der längste und trostloseste Kilometer meines Lebens. Ich hätte nicht einmal sagen können, worüber ich mir größere Sorgen machen sollte – entweder über das, was sie jetzt mit Archer vorhatten, oder ob Dad mir wohl jemals verzeihen würde. An der Spitze unseres kleinen Trupps liefen Dad und Lara und berieten sich in gedämpftem Ton. Ich versuchte, das ganze Ausmaß an Schwierigkeiten zu begreifen, in denen ich steckte. Immerhin war ich mit einem der schlimmsten Feinde der Prodigien erwischt worden. Eine leise Stimme sagte mir, dass die Strafe dafür um einiges schlimmer ausfallen dürfte als Kellerdienst oder eine simple Hausarbeit von tausend Wörtern über irgendein obskures Thema.
Thorne Abbey war dunkel und still, bevor wir hineinmarschierten. Erst nachdem Dad uns den ganzen Weg bis ins Hauptfoyer geführt
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