Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
Brust. Im Mondlicht sah er aus, als hätte ihn jemand über und über mit Tinte bespritzt.
Allerdings war diese Substanz, die seinen Oberkörper bedeckte und sich in einer großen Lache unter ihm ausbreitete, weder Tinte noch schwarze Farbe oder sonst irgendeine der verschiedensten Flüssigkeiten, die mein verzweifelter Verstand mir als Gegenvorschläge anbot. Ich nahm einen leicht metallischen Geruch wahr, der mich daran erinnerte, wie es roch, wenn Jenna ihren Hunger in unserem Zimmer stillte.
Ich fiel neben ihm auf die Knie und berührte seine Wange. Sie fühlte sich kühl und verschwitzt an. »Das hab ich … nun davon …, dass ich zu früh gekommen bin«, ächzte er und versuchte, mich anzulächeln.
»Bitte, nicht gleichzeitig Witze machen und bluten, okay?«, sagte ich, als ich behutsam seine Hände anhob, um mir seine Brust anzusehen. Es war zu dunkel, um das ganze Ausmaß seiner Verletzungen erkennen zu können, was vielleicht auch besser so war. Doch sein Hemd glänzte von Blut, alles war glitschig, und er atmete nur ganz flach.
»Es war dieser Junge«, murmelte er. »Kam … aus dem Nichts. Glaube, er hatte … Klauen.«
O Gott. Das erklärte die klaffenden Schnittwunden zumindest, aber bei dem Gedanken daran, dass Nick – genauso wild geworden wie Daisy – seine Klauen in Archer geschlagen hatte, kam mir die Galle hoch.
Ich atmete so lange durch die Nase ein, bis sich das Gefühl wieder etwas beruhigte. »Du kommst bald wieder in Ordnung«, erklärte ich Archer. Doch meine Stimme bebte, und ich zitterte am ganzen Körper. »Wahrscheinlich ist es gar nicht so schlimm, und wie immer machst du hier nur einen auf Drama-Queen.« Meine Magie tobte in meinem Inneren wie ein aufgepeitschtes Meer, und ich war viel zu aufgebracht, um mich auf irgendetwas zu konzentrieren. Trotzdem gab ich mein Bestes. Ich streichelte seine Stirn und lenkte meine Kräfte durch ihn hindurch, in dem verzweifelten Versuch, die klaffenden Wunden an Brust und Bauch zu schließen.
Die Blutung verlangsamte sich sogar, aber das war auch alles, was ich tun konnte, und dabei hatte er doch schon so viel Blut verloren. Verzweifelt richtete ich mich auf und hätte am liebsten laut geschrien. Welchen Sinn hatten denn göttliche Kräfte, wenn man damit den Leuten, die man liebte, nicht einmal helfen konnte?
Zitternd griff Archer nach meiner Hand. »Verlorene Liebesmüh, Mercer.«
»Sag so was nicht!«, protestierte ich.
Doch er schüttelte den Kopf. Seine Zähne klapperten dermaßen heftig, dass er kaum sprechen konnte. »Es musste ja so kommen … früher oder später. Wünschte nur … es wäre … etwas später passiert.«
Ich wollte ihm noch einmal widersprechen und ihm sagen, dass alles gut werden würde, aber es war sinnlos. Selbst in der Dunkelheit konnte ich erkennen, wie weiß er war und wie ernst die Panik in seinen Augen. Die Lache unter ihm schien mir ungeheuer groß – kaum vorstellbar, dass überhaupt noch irgendwelches Blut durch seine Adern floss.
Er lag im Sterben, und das wussten wir beide. Es gab nichts, was ich tun konnte.
Doch es gab jemanden, der etwas tun konnte.
Ich beugte mich dicht über ihn und flüsterte ihm ins Ohr: »Cross, bitte halt noch ein paar Minuten durch, okay? Du hast mir versprochen, wir würden in einer Burg rumturteln, und aus dieser Nummer lass ich dich auch nicht mehr raus.«
Er versuchte zu lachen, doch er stieß nur ein klägliches Gurgeln hervor. Beinahe hätte ich entsetzt aufgeschrien, doch dann hielt ich mir hastig die Hand vor den Mund und stand auf.
Er fasste nach dem Saum meines Bademantels. »Geh nicht weg«, flüsterte er.
Es brachte mich fast um, aber ich trat einen Schritt zurück. »Ich bin gleich wieder da, das schwör ich dir.«
Ich wollte ihm noch viel mehr sagen, doch so wie die Dinge lagen, verschwendeten wir nur kostbare Zeit. Sollte er sterben, bevor ich zurückkam … Ich mochte wirklich nicht daran denken. Bevor ich noch Zeit hatte, meine Entscheidung anzuzweifeln oder alle Risiken abzuwägen, schloss ich die Augen und verschwand.
Im Flur direkt vor meiner Tür tauchte ich wieder auf und rannte den Gang entlang zu Cals Zimmer.
Als er die Tür öffnete, machte er einen ziemlich zerknitterten und verschlafenen Eindruck, wirkte aber angenehm überrascht, mich zu sehen. Das war das Schlimmste daran.
Sobald ihm jedoch auffiel, dass ich voller Blut war, verblasste sein Lächeln, und er griff nach meinem Arm. »Sophie, was ist geschehen?«
»Das ist nicht mein
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