Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
für den Rest des Jahres von der Schule genommen. Ich fragte mich, was sie jetzt wohl machte – und ob sie von Elodie und Anna überhaupt etwas mitbekommen hatte.
Ich wollte mir gerade mein Handtuch schnappen, als ich aus dem Schlafzimmer ein dumpfes Klappern hörte. Meine Finger erstarrten, und die Härchen in meinem Nacken stellten sich auf. In Gruselfilmen war das dann immer der Punkt, an dem das nackte Mädchen Hallo? rief oder Wer ist da? oder etwas ähnlich Dämliches. Doch dieses nackte Mädchen würde ihre Anwesenheit garantiert nicht groß herausposaunen. Stattdessen zog ich lautlos mein Handtuch vom Halter und wickelte mich darin ein, bevor ich zu der geschlossenen Badezimmertür schlich und ein Ohr dagegen drückte.
Abgesehen von meinem eigenen Herzschlag hörte ich allerdings rein gar nichts. Ich verdrehte die Augen und griff nach meinem Bademantel, der an der Tür hing. Offenbar hatten mich das Bad und insbesondere die Gedanken an Chaston einfach zu schreckhaft werden lassen. Falls tatsächlich jemand in meinem Schlafzimmer sein sollte, war es wahrscheinlich nur ein Diener aus dieser Armee von Dienstboten, der meine Kissen aufschüttelte. Und mir vielleicht sogar eine Minzpraline daließ.
Ich knotete mir den Bademantel in der Taille zu und öffnete die Tür. Mein Zimmer war leer … und ich atmete erleichtert aus.
»Auf dem besten Weg zu verweichlichen, Sophie«, murmelte ich und ging zur Kommode. Dieses Anwesen war wie eine Prodigienversion von Fort Knox. Allein die Vorstellung, dass irgendjemand in meinem Schlafzimmer sein könnte und Niederträchtiges im Schilde führte, war doch absolut …
Wieder dieses Klappern, aber diesmal erschien es mir erheblich lauter. Und jetzt wusste ich auch, woher es kam.
Heftig pulsierte mir das Blut in den Ohren, als ich zu dem kleinen Nachttisch stürzte und die Schublade aufriss.
Und tatsächlich, die Goldmünze hüpfte darin herum, als wäre sie lebendig. Wie zur Hölle funktionierte das? Archer hatte gesagt, er würde die Münze benutzen, um mich zu finden, aber schlagartig wurde mir bewusst, dass ich gar keine Ahnung hatte, was genau das eigentlich bedeuten sollte. Vielleicht war die Münze ja eine Art tragbares Portal, und er konnte sich jeden Augenblick in einer Rauchwolke oder so in meinem Schlafzimmer materialisieren.
Der Gedanke, Archer könnte buchstäblich mitten in die Höhle des Löwen springen, wo jede Menge Leute nur darauf warteten, ihn zu töten, war einfach zu schrecklich, um diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zu ziehen. Als ich meine Finger um die Münze schloss, war sie so heiß, dass ich nach Luft schnappen musste.
Plötzlich war es, als fiele mir eine Leinwand vor die Augen, auf der ich die verlassene Kornmühle sehen konnte. Die Nische, die zum Itineris führte. Auf der niedrigen Fensterbank daneben saß Archer.
Und wartete auf mich.
Ich ließ die Münze auf den Nachttisch fallen und ging zur Kommode zurück, um mir eine Jeans und ein langärmeliges schwarzes Shirt zu schnappen. Wenn ich nur leise genug war, konnte ich das Haus bestimmt verlassen, ohne mir noch eine gute Ausrede ausdenken zu müssen …
Dann dachte ich daran, wie mir Dad – ganz blass und todernst – erklärt hatte, warum es so wichtig war, dass ich Archer nie mehr wiedersah. Ich dachte auch daran, wie stolz er heute auf mich gewesen war, und an das, was ihm alles blühen konnte, wenn irgendjemand mitbekam, dass ich mich aus dem Haus schlich, um heimlich ein Auge zu treffen.
Und daran, dass der Hauptsitz des Rates niedergebrannt war, mit sieben darin eingeschlossenen Ratsmitgliedern.
Ich griff in die offene Schublade der Kommode, doch statt meiner Jeans nahm ich mein Nachthemd heraus. Sobald ich hineingeschlüpft war, stieg ich ins Bett, knipste das Licht aus und tastete in der Dunkelheit nach der Münze. Als ich sie in der Faust hielt, hatte ich erneut Archer vor Augen. Er war inzwischen aufgestanden, ging in der Mühle auf und ab und rieb sich das Kinn. Immer wieder blickte er zur Tür hinüber.
Stille Tränen liefen mir über die Schläfen.
Immerhin wusste ich, dass er lebte. Und immerhin wusste ich, dass er nicht versucht hatte, mich zu töten. Das reichte mir schon. Das musste einfach reichen.
Archer wartete sehr lange auf mich. Viel länger, als ich gedacht hätte. Es war weit nach Mitternacht, als er einen letzten Blick auf die Tür warf und schließlich in der Nische verschwand. Ich umklammerte die Münze noch fester, doch sobald Archer fort
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