Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
schlug ich das schwere Buch auf und zwang mich dazu, mit dem Lesen anzufangen.
Während der nächsten Stunden unternahm ich einen tapferen Versuch, mich durch das erste Kapitel zu quälen.
Für ein Buch, das angeblich von gefallenen Engeln handelte, die überall herumrannten und mit ihrer supercoolen dunklen Maghia ein entsetzliches Chaos anrichteten, war es schrecklich langweilig, und all diese merkwürdigen Schreibweisen machten es auch nicht besser.
Seufzend kuschelte ich mich tiefer in meine Kissen. Als ich das Buch ein wenig anhob, um es gegen meine aufgestellten Knie zu lehnen, fiel mir ein Bogen Papier auf den Bauch.
Ich zog den Kopf ein, weil ich dachte, mir wäre eine der Seiten herausgefallen, doch dann bemerkte ich, dass das Papier viel weißer war und auch nicht annähernd so muffig roch.
Es war eine Notiz.
Ich erkannte Dads Handschrift sofort – von all den unpersönlichen Geburtstagskarten, die er mir im Laufe der Jahre geschickt hatte. Sie waren immer rosa und glitzernd gewesen, und jetzt wurde mir auch klar, dass Lara sie gekauft haben musste. Er hatte sie immer nur mit Dein Vater unterschrieben. Niemals eine kleine Nachricht oder wenigstens sein eigenes Alles Gute zum Geburtstag .
Und diese Notiz war auch nicht viel herzlicher. Da stand lediglich: »Sei darauf gefasst, morgen über dieses Buch und über das, was du bis dahin gelesen hast, zu diskutieren – Vater.«
»Aber sicher, Vater , mach ich doch gern«, murmelte ich und verdrehte die Augen. Musste er mir jetzt tatsächlich eine Notiz schreiben, um mir das kundzutun? Und warum hatte er den Zettel ungefähr bei Seite dreihundert in das Buch gesteckt? Denn wenn er dachte, dass ich heute Nacht noch so weit lesen würde, so war das wirklich verdammt optimistisch von ihm.
Ich seufzte und wollte die Notiz gerade zusammenknüllen, als sich die Worte auf der Seite plötzlich bewegten. Oder besser gesagt: Sie vibrierten.
Ich rieb mir die Augen, weil ich dachte, ich hätte vielleicht nur zu lange gelesen. Doch als ich den Zettel wieder ansah, zitterten die Buchstaben noch immer. Und dann begannen sie über das Blatt zu gleiten. Die meisten von ihnen rutschten an den unteren Seitenrand, aber die übrigen fügten sich neu zusammen und ergaben eine völlig andere Nachricht:
Am Bücherschrank. Morgen früh um fünf.
Es war auch Dads Handschrift, und vor meinen Augen huschten die Buchstaben erneut über das Papier, bis dort wieder die ursprüngliche Nachricht stand.
»Kryptischer Dad ist wieder mal kryptisch«, murmelte ich. Aber ich hatte nicht den geringsten Zweifel, welchen Bücherschrank er meinte – nämlich den, in dem Virginia Thornes Grimoire lag. Doch warum die Zauber und die ganze Heimlichtuerei. Wir waren heute doch fast den ganzen Tag zusammen. Hatte es denn keinen einzigen Moment gegeben, in dem er hätte sagen können: »Oh, hey, wir treffen uns morgen in aller Herrgottsfrühe am magischen Glaskasten, alles klar?«
Und was zum Teufel wollte er überhaupt bei diesem Schrank?
Mittlerweile fühlten sich meine Augen so an, als hätte ich mir Sand hineingerieben, und angesichts des Prodigienclubs, Archers und der ganzen Geschichte mit Dad heute dämmerte mir so langsam, dass diese Ferien vermutlich die anstrengendsten aller Zeiten werden würden. Ich sah mich in meinem palastartigem Zimmer um, und für einen kurzen Augenblick wünschte ich, ich wäre wieder in Hecate Hall, würde auf meinem winzigen Bett sitzen und könnte mit Jenna lachen.
Doch Jenna war nicht da und hing entweder mit Vix rum oder schlief gerade. Und ich war allein.
Ich hievte das Buch auf meinen Nachttisch und war erstaunt, dass sein Gewicht das winzige Möbelstück nicht zusammenbrechen ließ. Mom sagte immer, es gäbe nur wenige Dinge im Leben, die nicht mit einem heißen Bad kuriert werden könnten. Also beschloss ich jetzt, diesen Rat zu überprüfen.
Ein paar Minuten später steckte ich bis zum Kinn in heißem, schaumigem Wasser.
Ich strich mit meinem großen Zeh über den goldenen Wasserhahn, der die Form eines Schwans hatte. Wahrscheinlich sollte das nobel sein, aber es sah einfach nur so aus, als kotze der Schwan Wasser in die Wanne, was tatsächlich ein ziemlich ekliger Gedanke war. Außerdem erinnerten mich Badewannen immer an Chaston, die in einer dieser unheimlichen Wannen in Hecate beinahe verblutet wäre.
Trotz der Wärme des Wassers schauderte ich. Seit jener Nacht hatte ich Chaston nicht mehr gesehen. Ihre Eltern hatten sie sofort abgeholt und
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